Neue S-Bahnen weiter unbrauchbar
21.3.2011, 18:34 UhrDas Eisenbahn-Bundesamt (EBA) als Aufsichtsbehörde für alle Bahnunternehmen Deutschlands, hatte am Freitag – wie berichtet – in einer kurzen Meldung verkündet, es habe „am 17.März 2011 nach langer, intensiver Abstimmung mit dem Hersteller die ersten vierteiligen Züge der Fahrzeugfamilie ,Talent 2‘ für den Schienenverkehr zugelassen“. „Unmittelbar zuvor hatte der Hersteller Bombardier letzte sicherheitsrelevante Unterlagen eingereicht“, heißt es in der Sechs-Zeilen-Mitteilung der EBA-Pressestelle.
Der Satz: „Zur Gewährleistung der Sicherheit ist die Genehmigung mit mehreren technischen und betrieblichen Nebenbestimmungen verbunden“ ließ Interessierte jedoch aufhorchen. Bahn-Insider wissen ihn so zu deuten: „Die Plastikkisten haben weiterhin Probleme mit der Software – und noch ein paar andere mehr!“ Zu Details mag sich bei der DB jedoch niemand äußern. Dabei spielen offenbar viele Rücksichtnahmen eine Rolle. Der Hersteller steht unter massivem Druck von Bahn und Bundesverkehrsministerium, das EBA wird von Minister Peter Ramsauer persönlich zur Eile gedrängt.
Die DB hat außer in Nürnberg noch an drei weiteren Standorten in Deutschland erhebliche und kostenträchtige Probleme wegen der fehlenden elektrischen Triebzüge, die bei ihr als Baureihe 442 bezeichnet werden. „Allein die Tatsache, dass das Fahrzeug zunächst nur für 140 statt wie vorgeschrieben 160 Stundenkilometer zugelassen ist, macht es für uns unbrauchbar“, betonte eine Bahnsprecherin in Berlin auf Anfrage der NZ. Und sie ergänzt: „Ganz entscheidend ist auch, dass wir die Züge mehrteilig fahren können, doch zunächst dürfen sie ja nur einteilig fahren“.
Die eingeschränkte Verfügbarkeit und die über einjährige Verspätung der in Nürnberg als S-Bahnen eingeplanten Züge hat zwischen allen Beteiligten schon zu Verstimmungen geführt: „Bahnchefs haben ihre massiven Beschwerden bis hinauf in die höchsten Unternehmenskreise von Bombardier vorgetragen – und das nicht zimperlich“, wissen Kreise aus der Schienenfahrzeugindustrie, die nicht genannt werden wollen.
Der Streit kommt Bombardier teuer zu stehen, weil im Raum Berlin mehrere Dutzend fertiger, aber nicht zugelassener Züge auf DB-Gleisen abgestellt sind. Dafür und für den Ersatzverkehr etwa mit den altbrauchbaren Zügen im Nürnberger Verbundraum werden Strafzahlungen an die DB fällig. Und die Bahnsprecherin in Berlin macht nachdrücklich deutlich: „Wir werden die Züge so nicht abnehmen!“
Gründe dafür werden zwar nicht genannt, doch gilt in der Branche als ausgemacht, dass hier alter Kaufmannsbrauch gilt: „Geld gibt es nur für einwandfreie Ware!“ Aber allein aus juristischen Gründen müsse die Bahn die Abnahme der Züge verweigern, andernfalls würden Zahlungen fällig für Züge, über deren Mängel man neuerlich in Streit geraten könnte – etwa wenn es um den Begriff der planmäßigen Lieferung ginge.
Diesen Vorwurf weist Bombardier schon jetzt zurück: „Wir haben nun den ersten Teil der Zulassung erhalten und das erste Fahrzeug für Test- und Schulungszwecke an die Deutsche Bahn überführt“, sagte Sprecher Heiner Spannuth der Deutschen Presseagentur. Es sei mit der Bahn und dem Bundesverkehrsministerium vereinbart gewesen, dass in der ersten Phase nur einteilige Züge ausgeliefert werden. „Jetzt werden wir die einzelnen Nebenbestimmungen des EBA Stück für Stück abarbeiten. Dazu gehört auch die derzeitige Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit“, so Spannuth.
Der einzig zugelassene Zug steht derzeit im Regiowerk Nürnberg-Gostenhof, wie die Bahnsprecherin der NZ bestätigte. Eingeweihte wollen wissen, dass er hier der Personalschulung im Werkstattbereich dient. In den nächsten Wochen sollen ein bis zwei weitere 442 dazu kommen. Doch erst im Mai/Juni hat Bombardier die zweite Phase der Zulassung im Visier: „Ab dann liefern wir koppelbare Züge“, so Firmensprecher Spannuth.
Derweil kämpft Regio Franken in Nürnberg mit den Tücken des Ersatzverkehrs: Die Züge der S1 Hartmannshof–Bamberg sollen mit zwei Lokomotiven fahren, damit sie mit den nur 140km/h schnellen Zügen den Fahrplan einhalten können. Doch dies führte zu Störungen im Zug, sodass die S1 jetzt durchgehend nur noch mit einer Lok unterwegs ist.
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