Was tun, wenn ein Theaterstück mehr oder weniger steht und Corona den "klassischen" Spielbetrieb mit festem Ort und fester Zuschauertribüne unmöglich macht? Laubert wirft einfach das Beste aus zwei Welten in einen Topf und rührt das Ganze nochmal kräftig durch. Im Sommer wurde ja schon immer im Freien gespielt, im Winter dagegen in den engen Zimmern der Bauernhäuser. Das Manko wurde behoben, indem mit kleinen Gruppen von Haus zu Haus marschiert wird. Das "Winterwandeltheater" war geboren und dient nun zur Rettung der Sommersaison.
Laubert kommt es dabei entgegen, dass er hier mit kleinen abgeschlossenen Geschichten arbeiten kann. Jeder Ort, ein anderes Thema. Ein rechter roter Faden ist nicht erkennbar, auch das ist inzwischen eines der Markenzeichen des 55-jährigen Theatermachers. Natürlich geht es wieder um die großen Themen Leben, Liebe, Freundschaft, Krankheit und Tod. Über allem kreist jedoch das Spiel mit Begriff des Vertrauens. Wer kann wem vertrauen und warum tut man es (oder eben nicht)? Was passiert, wenn Vertrauen missbraucht wird? Wer profitiert von Vertrauen und wer verliert selbiges?
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"Alles kein Wunder" gibt auf diese Fragen keine Antworten. Leichtfüßig wird sich dem Thema genähert, es wird – mal elegant, mal brachial – eingekreist, ehe es im Viertelstunden-Rhythmus heißt: Abmarsch zum nächsten Spielort. Laubert und sein Team gehen eine schon fast symbiotische Beziehung mit dem Museumsgelände ein. Bei der (unglaublich intensiven) Kinderszene auf dem Museumshügel schweift der Blick unwillkürlich in Richtung Frankenhöhe oder Stadtsilhouette. Die Natur zaubert hier ein Bühnenbild von berückender Schönheit. Bis hin zur Schmalz-Schmerzgrenze, wenn die Sonne blutrot im Westen untergeht.
Und das Stück ist zusätzlich ein Ritt durch die verschiedenen Epochen des 20. Jahrhunderts. Mag sein, dass die Frage: "Was will uns der Autor mit seinem Stück sagen?" am Ende unbeanwortet bleibt. Anknüpfungspunkte um darüber zu diskutieren, gibt es mehr als genug. Etwa "Im Sanatorium", wo das Eyerloher Jagdschlößchen die Kulisse für eine Reminiszenz an Thomas Manns "Zauberberg" bildet. "Sie bewachen uns, damit wir uns an die Regeln halten", sagt der verhinderte Dichter Heinrich zu Clara, die sich zu ihm hingezogen fühlt. Plötzlich ist das Jahr 1919 im hier und jetzt angekommen. Die Pflegerin wird zur "süßen Kerkermeisterin" und in bester Bremer Stadtmusikanten-Manier gibt Heinrich die Devise aus: "Was Besseres als den Tod finden wir überall".
Eine politische Botschaft sucht der Zuschauer dennoch vergebens. Laubert ist ein Meister der Unverbindlichkeit. Alles kann, nichts muss einen tieferen Sinn haben. Oder warum dürfen wir mit unserer Gruppe die Szenen "Jägerlatein" oder "Das Brautkleid" nicht sehen und laufen an den zu Salzsäulen erstarten Schauspielern vorbei? Nun, das Stück besteht derzeit aus zehn Szenen, weitere gerade geprobt oder sind in Vorbereitung. Am Ende könnten bis zu zwanzig Szenen sein, von denen das Publikum immer nur eine Auswahl zu sehen bekommt, so Christian Laubert. "Das Stück wird bei der letzten Vorstellung am 10. Oktober ein ganz anderes sein, als bei der Premiere", da ist sich der Kopf des Freilandtheaters jetzt schon sicher.
Ein spannendes Projekt für Schauspieler und Zuschauer, dem man wohl mindestens zwei Mal einen Besuch abstatten sollte. Hilft, die finanziellen Sorgen des Theaters etwas abzumildern und das Publikum kann seine Treue zu dieser Kultureinrichtung unter Beweis stellen. So was heißt dann wohl, im besten Sinne, "aus der Not eine Tugend machen".
Weitere Informationen und Kartenbestellungen unter www.freilandtheater.de