Ein Hater erklärt: Daher kommt die Wut auf den Drachenlord

12.6.2019, 19:47 Uhr

Altschauerberg, ein 40-Seelen-Dorf bei Emskirchen, erlebt ständig "Anti-Fans" und "Hater" des "Drachenlord", die durch den Ort pilgern. Im August 2018 waren plötzlich 600 bis 800 junge Leute dort – und feierten ihr "Schanzenfest", eine Party mit Bier und dem besonderen Spaß, an Winklers Zaun zu rütteln und ihn mit Geplärr aus dem Haus zu locken. Manche der Besucher bewarfen das baufällige Haus, in dem er wohnt, mit Steinen und Eiern.

Gegen Szenen wie diese helfe nur Notwehr, sagt Rainer Winkler – er schleuderte im August 2018 einen Stein in Richtung eines BMW, in dem "Hater" saßen. Sie verspotteten ihn aus dem offenen Fenster. Nach dem Steinwurf zeigten sie ihn an. Dass er den Stein warf, gab Winkler vor Gericht bereits zu. Doch da ein Video belegt, dass der Stein den BMW nicht direkt traf, wurde dieser Vorwurf bereits eingestellt. Übrig bleibt ein weiterer Vorwurf: Im Mai 2018 hatte Winkler, auch dies räumt er ein, einem Besucher an seinem Zaun eine Ladung Pfefferspray verpasst.

Schuld an der Unruhe in Altschauerberg?

Das Amtsgericht Neustadt hatte den Termin des Strafprozesses im Mai nicht an die große Glocke gehängt, wohl auch, um Szenen wie in Altschauerberg zu vermeiden – und so hält man sich bedeckt, wann das Strafverfahren fortgesetzt wird. Ein neuer Termin wird von Amts wegen erlassen, stellte die Richterin am Ende des ersten Prozesstages in Neustadt an der Aisch fest, ein neuer Termin sei noch nicht bekannt, teilt Justizsprecher Friedrich Weitner mit.

Offen bleibt die Frage, was die "Hater", also die Menschen, die Rainer Winkler wegen seiner Videos hassen, so aufbringt. Ist er nicht nur Mobbing-Opfer, sondern auch schuld an der Unruhe im Dorf? Wird es in diesem Sommer wieder ein "Schanzenfest" in Altschauerberg geben?

Als wir über den Prozessauftakt berichtet haben, meldete sich ein Leser aus Hamburg. Der 36-Jährige Florian will seinen vollständigen Namen nicht im Internet lesen, doch er will erklären, warum er "Hater" ist und am 20. August 2018 nach Altschauerberg bei Emskirchen fuhr, um das "Drachengame" zu spielen.

Was nervt Sie so an den Videos von Rainer Winkler?

Florian: Mich nervt unter anderem seine Ignoranz. Er kann sich nicht vernünftig ausdrücken, doch nennt sich selbst "das höchste Wesen". In einem Live-Stream sagt er "Ich bin das höchste Wesen, höher als Gott. Gott kommt zu mir, um von mir gesegnet zu werden. Ich ficke Gott in den Arsch." Dazu beschimpft und beleidigt er die Leute, die ihn kritisieren oder auch nur Fragen stellen. Beispielsweise wollte mal ein Abonnent seines Video-Streams an einem heißen Sommertag wissen, was das Lieblingseis des Drachen sei, daraufhin bannte Rainer Winkler den Abonnenten sofort – mit der Aussage, die Frage sei blöd, außerdem habe er sie schon mehrfach in früheren Streams beantwortet.

Als er mal gefragt wurde, ob er nicht lieber arbeiten gehen will, statt nur Videos zu produzieren, wurde er ausfällig, schimpfte über Studenten, die nichts aus ihrem Leben machen, nichts leisten und nur faul herumsitzen. Ein andermal zog er auch über Bauarbeiter her, die aus seiner Sicht in der Schule nichts erreicht haben und deshalb auf dem Bau arbeiten müssen.


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Freilich kann man diese Videos blödsinnig finden. Winkler erzählt Belangloses aus seinem Alltag, äußert sich auch rassistisch und frauenfeindlich. Trotzdem: Es gibt soviel Müll im Netz – warum schafft ausgerechnet er es, Sie und andere Hater zu provozieren?

Florian: Rainer Winkler ist auf gewisser Weise einzigartig, da er trotz seiner geistigen und körperlichen Limitiertheit unfassbar arrogant ist. Er provoziert zudem bewusst, um Reichweite zu generieren. Am deutlichsten wird dies bei den Pornhub-Videos – unter anderem masturbiert er vor laufender Kamera.

Erst vor wenigen Tagen stellte er im Video "Meine Spielsachen Alle die ich habe", seine verschiedenen Sexspielzeuge vor.

Florian: Ja genau. Er produziert geschmacklose Videos und wundert sich hinterher, dass die meisten Reaktionen negativ ausfallen. Was mich wirklich auf die Palme bringt, ist, dass er sich anschließend als Mobbing-Opfer darstellt. Dies war auch so, als ihm das Live-Streamen verboten wurde.

Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien hat Winkler Ende März untersagt, seine Angebote online live zu verbreiten. Er hat keine rundfunkrechtliche Zulassung.

Florian: Die Mitarbeiter der BLM, die völlige Neutralität ausstrahlt, machen ja nur ihren Job – und trotzdem schimpfte Rainer nach dem Verbot wieder drauf los und warf ihnen vor, sie unterstützen das Mobbing gegen ihn. Ich will an dieser Stelle aber klarstellen, dass Rainer Winkler kein Mobbing-Opfer ist. Mobbing wäre aus meiner Sicht, wenn zum Beispiel ein kleiner Junge in seinem Kinderzimmer Videos von sich dreht, diese ins Netz stellt und dafür ausgelacht wird. Dies ist bei dem Drachen nicht der Fall. Ich möchte den YouTuber "KaRe" zitieren, der es gut auf den Punkt gebracht hat: "Wir haben es mit einem morbid-übergewichtigem Sonderschüler zu tun, der das komplette deutschsprachige Internet provoziert."


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Er bekommt Aufmerksamkeit und fühlt sich bestärkt – daher nochmal die Frage. Warum klicken Sie die Videos nicht einfach weg und ignorieren ihn?

Florian: Warum sorgen Fernsehformate wie "Bauer sucht Frau" oder "Mitten im Leben" für so hohe Einschaltquoten? Es ist wie bei einem Autounfall – man schwankt zwischen Faszination und Grauen, man will es gar nicht, aber schaut hin. Ähnlich ist es bei dem Drachen. Es ist eine Melange aus Kopfschütteln, Lachen und Fremdscham.

Der Drachenlord ist auf bestimmte Art unterhaltsam – doch wieso konnte dieses Internetphänomen in die echte Welt gelangen?

Florian: Als Drachenlord hat Rainer Winkler selbst in einem seiner Videos die Hater aufgefordert, ihn zu besuchen, er schrie seine Adresse in ein Mikrofon und forderte alle auf, bei ihm auf dem Grundstück das Drachenspiel fortzusetzen. Im August kamen 600 bis 800 Leute – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Ich bin zum Beispiel gekommen, weil ich einige der Hater mal im echten Leben kennen lernen wollte.

Ist dies mit der Massen-Party bei Thessa vergleichbar? Erinnern Sie sich? Das Mädchen wurde 16 Jahre und lud zu ihrer Geburtstagsfeier ein – und daraus wurde ein Massenevent mit Polizeieinsatz.

Florian: Ja. Das war ja hier in Hamburg, im Sommer 2011. Sie hatte per Facebook zu Geburtstag eingeladen und nur ein Häkchen vergessen – und so wurde aus ihrer privaten eine öffentliche Geburtsfeier.

Und 1500 Leute ließen vor ihrem Elternhaus die Sau raus.

Florian: Ich finde nicht, dass dies mit dem Drachen vergleichbar ist. Das Mädchen hatte diesen Rummel nicht gewollt, es war ein Versehen. Aber der Drache fordert ja dazu auf, ihn zu besuchen. Er will, dass seine provozierenden Videos geguckt werden, weil er an jedem Klick verdient.

Aber warum erhalten Sie die Spirale am Leben? Sie kommentieren seine Videos, verspotten ihn – und sind sogar nach Altschauerberg gefahren.

Florian: Für mich persönlich war Rainer Winkler von sekundärer Bedeutung – vor allem wollte ich, wie gesagt, die Menschen aus dem Game mal kennenzulernen. Seit 2017 bin ich Hater und mit Menschen aus ganz Deutschland unter anderem über Facebook in Kontakt – ich dachte beim Schanzenfest könnte ich einige diese Leute mal treffen. Dass die Polizei vorher ein Versammlungsverbot ausgesprochen hatte, war mir nicht bekannt. Das sogenannte Schanzenfest blieb von Seiten der Hater ja auch friedlich, allein weil wir 600 bis 800 Leute waren, hätte es leicht eskalieren können. Zu Beginn waren ja nur ein gutes Dutzend Polizisten vor Ort. Dann kam ein Großaufgebot der Polizei, ein Unterstützungskommando, es wurde vom DFB-Pokal-Fußballspiel Fürth gegen Dortmund abgezogen und sogar Hundeführer – aus meiner Sicht völlig überzogen.

Ist Ihnen klar, was für eine Belastung der Tourismus zum Drachenlord für die Bewohner des 40-Seelen-Dorfes ist?

Florian: Das ist nur eine Seite der Medaille. Eine Dokumentation über Rainer Winkler, sie heißt "Hass ist ihr Hobby" – zu sehen auf YouTube – zeigt auch Winklers Nachbarn. Sie geben ihm die Schuld für all das, weil er einfach nicht aufhört. Das könnte er, tut er aber nicht. Im Gegenteil. Er schafft ständig neue Skandale, um relevant zu bleiben, unter anderem mit seinem Pornhub-Account. Ich habe es so erlebt, dass die Nachbarn den meisten Pilgern sogar wohl gesonnen sind. Ich selbst habe vor Ort nie Ärger mit einem Nachbarn gehabt und wurde meistens lachend begrüßt.

Und in diesem Sommer? Steht wieder ein Schanzenfest an?

Florian: Nein, nicht dass ich wüsste. Ich würde mir auch kein neues Fest wünschen – das letzte Schanzenfest hat Rainer Winkler zu sehr gepuscht und noch viel berühmter gemacht. Es folgte eine Welle des Mitleids und bescherte ihm mehr Reichweite. Dadurch kamen weitere Menschen ganz neu in das Game und spendeten ihm viel Geld, weil sie ihn für ein Mobbing-Opfer halten. Aber ich habe ja schon gesagt, dass er das nicht ist.

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