Vereinsverantwortliche suchen nach Lösungen

Sorgen um die Kinder: Viele können nicht schwimmen

9.9.2021, 16:11 Uhr
Das Seepferdchen zeigt, wenn ein Kind schon ganz gut schwimmen kann. Doch bei immer weniger ist das der Fall.

© Uli Deck, dpa Das Seepferdchen zeigt, wenn ein Kind schon ganz gut schwimmen kann. Doch bei immer weniger ist das der Fall.

Vorschüler und Erstklässler erhalten zum Beginn des Schuljahres vom Freistaat Bayern einen Gutschein über 50 Euro, um in einem Schwimmkurs das Seepferdchen zu machen. Klingt gut, das Problem: Schwimmkurse waren lange coronabedingt nicht möglich, der Stau auf den Anmeldelisten wird immer länger – auch beim Schwimmverein Bad Windsheim. Mehr als 70 Kinder aus den Jahren 2019 und 2020 stehen derzeit darauf, neue können aktuell nicht angenommen werden. Eine gefährliche Entwicklung, die im schlimmsten Fall über Leben und Tod entscheiden kann.
Seit April 2020 sei kaum etwas möglich gewesen, sagt Daniela Rollinger, die seit etwa sieben Jahren die Schwimmkurse des Vereins organisiert und durchführt. Während andere Vereine auf Online-Möglichkeiten setzten oder Aktive für sich trainierten, sei das beim Schwimmen nicht möglich. Und: „Klavierspielen hat eben noch niemandem das Leben gerettet“, macht Rollinger die Wichtigkeit der Kurse deutlich. Zwar sei die Schwimmhalle am Schulzentrum ein „Riesenraum“, doch in den Umkleiden und Duschen sei es beengt. „Das Landratsamt hat uns nicht reingelassen“, sagt Vorsitzende Michaela Glaser, die dennoch betont, dass die Amtsmitarbeiter „sehr kooperativ“ waren, ihnen eben auch die „Hände gebunden“ waren. Im Freibad seien Kurse zu den normalen Öffnungszeiten schwierig, sagt Glaser, abends und morgens sei es oft zu kalt.

Uwe Martin, Michaela Glaser und Daniela Rollinger (von links) hoffen, dass im Becken bald wieder Kinder das Schwimmen lernen.

Uwe Martin, Michaela Glaser und Daniela Rollinger (von links) hoffen, dass im Becken bald wieder Kinder das Schwimmen lernen. © Anna Franck, NN


Dass besonders Kinder und junge Menschen vom Ertrinken betroffen sind, belegen auch Statistiken der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). 18 Kinder (2019: 17) im Vorschul- und fünf (acht) im Grundschulalter seien 2020 im Wasser ums Leben gekommen. Stille Gewässer seien dabei meist nicht das Problem, sondern eher Seen oder das Meer, sagt Uwe Martin, Vorsitzender der Bad Windsheimer DLRG. Entsprechend auch ein Statement des DLRG-Präsidenten Achim Haag: „Hier ist sicherlich die bereits an sich zurückgehende Schwimmfertigkeit bei den Kindern eine Ursache, was das Corona-Jahr 2020 durch längerfristig geschlossene Bäder leider nur verschlimmert hat.“

Wenigstens ein paar durchgebracht

Im Oktober, November des vergangenen Jahres hatte Daniela Rollinger noch einen Schwimmkurs gestartet, dann kam Corona, beenden konnte sie ihn erst im März. Zu Nicht-Corona-Zeiten finden sechs Kurse pro Jahr statt, zwischen fünf und sieben Jahre seien die Kinder im Schnitt alt.
Im Mai dann ein erstes Aufatmen, als das Landratsamt doch einige Kurse genehmigte. Rollinger brachte einen über die Bühne, Schaustellerin Sonja Straetemans, die pandemiebedingt zeitliche Kapazitäten hatte, schob weitere nach. Bis zu 14 Kinder nahmen pro Kurs teil. „So haben wir nochmal ein paar durchgebracht“, sagt Rollinger. Ein Anfang, der fix wieder ausgebremst wurde: Aufgrund von Wartungsarbeiten ist die Schwimmhalle bis 19. September geschlossen. „Wir hätten gerne zusätzliche Kurse in den Ferien angeboten“, sagt Daniela Rollinger.

Zwei Jahrgänge ohne Schwimmkurs

Der Boom bei Schwimmkursen sei immer da gewesen, „aber jetzt konnte halt lange nichts abgearbeitet werden“. Zwei Jahrgänge seien derzeit ohne Schwimmkurs. Und selbst die, die ihr Seepferdchen noch vor der Pandemie ablegten, sind nicht fein raus, festigen diese ihr Können sonst in Aufbaukursen, bei denen oft zwischen 60 und 80 Kinder je nach Leistungsstand auf unterschiedlichen Bahnen das Schwimmen üben. Pflicht sei das nicht, sondern eher ein „Service des Vereins“, wie Michaela Glaser erklärt. „Manche müssen das Seepferdchen wohl nochmal machen“, schätzt Rollinger. Die verlorene Zeit auszugleichen sei nicht möglich. „Man kann eigentlich nur von vorne beginnen.“
Auch die Leistungsgruppen des Vereins konnten coronabedingt nicht üben. An Erfolge der Vergangenheit anzuknüpfen sei nicht möglich. Weitertrainieren durften derweil die Wachmannschaften der DLRG, die beispielsweise Dienst im Freibad haben, erklärt Uwe Martin. Einmal pro Woche durften diese üben.
„Wir wollen im Herbst wieder mit allen Gruppen durchstarten“, sagt Michaela Glaser, „ob das geht? Keine Ahnung“. Die Hoffnung bleibe, denn ein Problem, das ebenfalls zunehme: „Viele Eltern sind nicht dahinter“, sagt Rollinger, die zudem findet, dass Bad Windsheim ein familienfreundliches Bad fehle. „Die meisten nehmen sich die Zeit nicht, um mit ihren Kindern ins Bad zu gehen. Es ist echt erschreckend und wird immer schlimmer.“ So fehle die Wassergewöhnung, „man kann den Kindern ja nicht gleich den Kopf rein stecken“. Ein Zustand, der sie dennoch antreibt und nicht aufhören lässt, Kindern das Schwimmen beizubringen. Eine Fertigkeit, die ihnen im Zweifelsfall das Leben retten kann.

Keine Kommentare