Neuzugang im Fränkisches Freilandmuseum

Traktor Marke Eigenbau: Der Zugvogel tuckert nun übers Museumsgelände

11.8.2021, 06:00 Uhr
Dr. Herbert May (links) und Uwe Hufnagel haben den „Zugvogel“ erklommen, den Rosalinde Schmidt dem Fränkischen Freilandmuseum überlassen hat. 

© Günter Blank, NN Dr. Herbert May (links) und Uwe Hufnagel haben den „Zugvogel“ erklommen, den Rosalinde Schmidt dem Fränkischen Freilandmuseum überlassen hat. 

Der landwirtschaftliche Fuhrpark des Fränkischen Freilandmuseums ist um eine Attraktion reicher: Rosalinde Schmidt aus dem Ansbacher Ortsteil Bernhardswinden überließ dem Museum den „Zugvogel“: einen Traktor, welchen ihr Vater und dessen Schwiegervater in den Jahren 1948/49 komplett selbst gebaut hatten. Während die Spenderin sich darüber freut, dass der in seiner Art einmalige Schlepper nun einen Platz findet, an dem er der Öffentlichkeit erhalten bleibt, verspricht Museumsleiter Dr. Herbert May: „Der kriegt bei uns einen Ehrenplatz, denn das ist kein Gerät von der Stange.“

Die Teile des Zugvogels haben die beiden Erbauer aus unterschiedlichen Quellen zusammengesucht.

Die Teile des Zugvogels haben die beiden Erbauer aus unterschiedlichen Quellen zusammengesucht. © Günter Blank, NN

Vielmehr ist die Entstehungsgeschichte des Gefährts, wie Rosalinde Schmidt sie bei dessen offizieller Übergabe im Museum erzählt, wahrhaft abenteuerlich. Aus dem Krieg heimgekehrt, hatte ihr Vater Johann Vogel anno 1948 im Alter von 29 Jahren gemeinsam mit seinem Schwiegervater Leonhard Gümpelein das Projekt Traktorbau in Angriff genommen. Der Begriff „Zugvogel“ ist abgeleitet aus dem Familiennamen und der dem Vehikel zugedachten Aufgabe: dem Ziehen von Wagen und Pflug.

Duo ergänzt sich perfekt

Das Duo ergänzte sich prächtig: Vogel hatte als Techniker und Mechaniker Flugzeugmotoren gewartet, Gümpelein war Schmiedemeister und verfügte über eine eigene Halle und das nötige Werkzeug. Schweißgeräte inklusive. Was fehlte, war das Material. Doch die Schlepperbauer suchten sich zusammen, was sie brauchten – und wurden dabei auch auf Schrottplätzen fündig.

Der Motor für den Zuvogel stammt aus Mannheim, für einen Traktor war er allerdings nicht gedacht.

Der Motor für den Zuvogel stammt aus Mannheim, für einen Traktor war er allerdings nicht gedacht. © Günter Blank, NN

So fügten sich verschiedenste Bausteine zu einem neuen Ganzen zusammen. Der 20 Pferdestärken starke Dieselmotor der Motorenwerke Mannheim hatte zuvor als Standmotor in einer Ansbacher Firma gedient, die Hydraulikpumpe war einem Flugzeug entnommen. Für einen Traktor außergewöhnlich ist das verbaute Getriebe, welches ebenso wie die Hinterachse zuvor in einem Sanitäts-Lastwagen des Militärs verbaut war. Vier schnelle und vier langsame Vorwärts- sowie zwei Rückwärtsgänge sorgen nicht nur dafür, dass das Gefährt flexibel nutzbar ist, sie machen den Zugvogel auch schnell. „Der läuft super“, sagte Herbert May, nachdem er mit Sammlungsreferent Dr. Markus Rodenberg und Bauhof-Techniker Uwe Hufnagel am Steuer von einer kleinen Spritztour durchs Museumsgelände zurückgekehrt war.

Ein Jahr Bauzeit

Rund ein Jahr waren die Tüftler seinerzeit am Werk gewesen, ehe der Zugvogel 1949 durchstartete. Zunächst wurde er von seinen zwei Erbauern gemeinsam landwirschaftlich genutzt – als erster Traktor im Dorf, wie sich Rosalinde Schmidt erinnert, die mit ihrer Familie zur Übergabe gekommen war. 1956 kaufte sich Leonhard Gümpelein einen „Industrietraktor“, ihr Vater nutzte den „Zugvogel“ weiterhin, zuletzt zum Antreiben der Dreschmaschine, erinnert sich Schmidt. Dann war der Traktor eine Zeitlang stillgelegt, ehe Johann Vogel ihn um 1970 herum wieder flott machte und mit dem rollenden Unikat an Umzügen und Ausfahrten teilnahm.

Der „Zugvogel“ sei denn auch so etwas wie „ein zusätzliches Familienmitglied“ und „wir trennen uns ungern“, sagte Rosalinde Schmidt. Um so mehr freue es sie, dass das Freilandmuseum auf ihre Anfrage sofort positiv reagiert und den Traktor in seine Sammlung aufgenommen hat. Denn das entspreche zum einen dem Wunsch ihres zwischenzeitlich verstorbenen Vaters, zum anderen „erfährt die Leistung der Erbauer hier die entsprechende Würdigung“.


„Wir stellen ihn nicht in die Vitrinne, sondern wir werden in nutzen und fahren“, versprach Museumsleiter Herbert May, schließlich sei der Traktor für das Museum „wie ein Sechser im Lotto“. Und Uwe Hufnagel wird dafür sorgen, dass weiterhin alles wie geschmiert läuft am „Zugvogel“ – wie in den vergangenen 72 Jahren auch, seit er erstmals aus der Werkstatt von Leonhard Gümpelein getuckert war.

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