Objekt des Monats im Freilandmuseum
Unrein und krank: Die Menstruation ist noch immer schambehaftet
16.1.2022, 06:00 UhrDer Name Camelia war inspiriert von der Figur der Kameliendame im gleichnamigen Roman von Alexan-dre Dumas, wie Sammlungsreferentin Juliane Sander auf der Internetseite des Museums informiert. Sie habe sich schnell zum „Inbegriff der Einmalbinde“ entwickelt, war über den Textilhandel zu erwerben und löste nach und nach die zuvor genutzten Strick-, Häkel- und Stoffbinden ab. Die Camelia-Rekord kam 1958 auf den Markt. Der Netzschlauch aus Baumwolle war bei ihr durch einen „feinen Vlieseinschlag“ ersetzt worden, schreibt Juliane Sander. Binden, die selbst kleben, gebe es dagegen erst seit Anfang der 1970er-Jahren.
Die Expertin befasse sich derzeit mit der „Geschichte der Unterwäsche“, wie sie im Gespräch mit der WZ erläutert, und damit einhergehend der Erforschung der weiblichen Lebensbedingungen in der Vergangenheit und Gegenwart. Dabei die Menstruation aufzugreifen sei passend, ist es doch ein „Bereich, der stark mit Peinlichkeit und Scham besetzt ist und in der Öffentlichkeit oft nicht so erörtert wird“ – und zwar zu allen Zeiten. Welche Art von Hygiene Frauen damals anwendeten, zeige aber beispielsweise auch, wie die heutigen Formen entstanden sind.
Frauen seien während der Menstruation als unrein angesehen worden. Es galten strenge Verhaltensregeln galten, beispielsweise die Isolierung aus der Gesellschaft, ein Berührungsverbot von Nahrungsmitteln oder Personen sowie spezielle Reinigungsvorschriften.
Krankheit: Menstruation
Die Geschichte der Monatshygiene sei „eng verbunden“ mit Vorstellungen, bei denen die Menstruation als Reinigungsakt oder Krankheitszustand definiert wurde. Erst in den 1950er-Jahren sei das wissenschaftlich widerlegt worden. „Das erscheint umso unfassbarer, ist doch die Menstruation ein körperlicher Vorgang, dem jeder Mensch sein Leben verdankt“, erklärt Sander.
In einem von einer Ärztin verfassten Gesundheitsbuch für bürgerliche Frauen aus dem Jahr 1899 heißt es, dass es „höchst unappetitlich“ sei, das Blut im Hemd aufzufangen, dasselbe Hemd vier bis acht Tage zu tragen sei „infectionsgefährlich“. Eben so sei das bei Frauen auf dem Land und aus unteren Schichten gehandhabt worden. „Waschen und Wechseln der Wäsche galt in dieser Zeit als gesundheitsgefährdend, weil eine Stockung oder Verstärkung der Blutung befürchtet wurde“, erklärt Juliane Sander. Nur wenige hätten Unterhosen getragen oder Binden aus Tüchern oder Leinenlappen genutzt. Wer übrigens neue Binden brauchte, gab an der Kasse im Textilhandel einen Abschnitt einer leeren Packung ab – diskret versteht sich.
In „Aufklärungsschriften“ zeigten Frauenärzte erste „Menstruationsgürtel“ mit waschbarer Einlage und „Beinkleider mit Wegwerfbinden aus Verbandwattte, Jute, Holzwolle oder Moos“ vor. „Die Verbandstofffirma Paul Hartmann brachte in dieser Zeit eine der ersten Wegwerfbinden auf den Markt“, informiert Sammlungsreferentin Sander. All das sei für die meisten Frauen aber „viel zu teuer“ gewesen. Aus diesem Grund nutzten viele bis in die 1930er-Jahre selbstgefertigte Binden, die an Stoff- oder Gummigürteln und in spezielle sogenannte Damen-Höschen geknöpft, ausgewaschen und wiederverwendet werden konnten.
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