"Drachenlord": Polizei zieht Bilanz der Hass-Demo
21.8.2018, 15:16 UhrIn Altschauerberg gab es plötzlich mehr Polizisten als Einwohner. Szenen, die den rund 40 Bewohnern des Ortes wohl lange im Gedächtnis bleiben dürften. Grund dafür ist ein einzelner, junger Mann. Im Internet nennt er sich "Drachenlord", betrieb unter diesem Namen einen eigenen Kanal. Damit trat er eine Welle des Hasses los - die ihn sogar bis vor die eigene Haustür verfolgt.
Weil sie seine Videos belustigend finden, sammelt sich im Netz eine große Hater-Gemeinde gegen den 29-Jährigen. Regelmäßige Hasskommentare waren die Folge. Sie brachten den "Drachenlord" irgendwann so in Rage, dass er in einer unüberlegten Aktion seine Adresse nannte und seine Feinde dazu aufforderte, ihm die Gemeinheiten, die sie im Netz in anonyme Kommentare verpackten, persönlich ins Gesicht zu sagen.
Damit trat er eine Reihe von Übergriffen, Attacken und Hausfriedensbrüchen los. Immer wieder suchten Hater ihn privat auf, bedrängten ihn, bewarfen ihn beispielsweise mit Eiern oder bestellten in seinem Namen Pizza. Für den Montag organisierte die Hassgemeinde schließlich eine Demonstration gegen den "Drachenlord", mit dem Titel: "Dem Drachen das Fürchten lehren". Obwohl das Neustädter Landratsamt einschritt und für den Zeitraum um den Montag ein Versammlungsverbot aussprach, fanden sich zwischen 600 bis 800 Hater in Altschauerberg ein. "Im Vorfeld kam es immer wieder zu Sachbeschädigungen. Deshalb haben wir entsprechende Polizeiaufgebote eingesetzt und das Versammlungsverbot erteilt", erklärte Landrat Helmut Weiß (CSU). Sogar das Unterstützungskommando der bayerischen Polizei wurde vom DFB-Pokalspiel in Fürth abgezogen und in den kleinen Ort geschickt.
Festnahmen und Beleidigungen
Übertrieben waren die Sicherheitsvorkehrungen nicht: Den ganzen Tag über war es zu Vorfällen gekommen, zahlreiche Hater hatten sich auf der "Schanze", wie das Zuhause des "Drachenlords" genannt wird, eingefunden. Es kam zu circa 300 Platzverweisen, Personenkontrollen, sogar Festnahmen. Ein Polizeibeamter wurde beleidigt, ein weiterer bespuckt. Bierflaschen säumten die Straßen des kleines Ortes, Glasscherben lagen auf dem Boden. Selbst das Ortsschild wurde beschädigt. Einige der Demonstranten zeigten sich renitent und mussten von den Beamten mit Zwang vom Gelände entfernt werden.
Auch Böller warfen die Demonstranten. Dabei soll es sich um sogenannte "Polen-Böller" gehandelt haben: Sie sind in Deutschland illegal, weil sie eine extrem starke Explosionswirkung haben. Bilder aus Altschauerberg zeigen eine verkohlte Wiese, ein Baum wurde sogar dabei beschädigt. Die Feuerwehr musste anrücken, um den Brand eines Waldstücks zu löschen, das bei der Explosion eines solchen Böllers Feuer gefangen hatte. "Wir haben großes Glück, wir hatten hier seit Wochen keinen Regen mehr. Wenn so ein Brand nicht zügig gelöscht wird, kann er sich sehr schnell zu einem größeren Waldbrand ausbreiten", berichtete Rainer Weiskirchen, der Pressesprecher der Feuerwehren Landkreis Neustadt an der Aisch und Bad Windsheim. Die Einsatzkräfte brachten das Feuer schnell unter Kontrolle.
Die Situation vor Ort beschrieb Weiskirchen als angespannt. "Für uns Feuerwehrleute, die als Freiwillige rausfahren, um Menschenleben zu retten, ist es ein besonderes Gefühl der Unsicherheit, an solche Orte zu fahren. Da fährt Unbehagen mit."
Die Polizei fasste den Tag insgesamt als relativ gesittet zusammen. Die meisten der Demonstranten hatten sich wieder wegschicken lassen, nachdem die Beamten sie darauf hingewiesen hatten, dass es sich bei ihrer Anwesenheit aufgrund des Platzverweises um eine Ordnungswidrigkeit handelte. Die Polizei Neustadt wurde bei diesem Einsatz von Beamten aus Erlangen, Nürnberg und Ansbach sowie von der Zentralen Diensthundestaffel in Mittelfranken unterstützt.
Die Einsatzkräfte stellten insgesamt vier gefährliche Gegenstände bei den Hatern sicher. Darüber hinaus wurde in der Zeit zwischen Montag, 16 Uhr, und Dienstagmorgen, 4 Uhr, die Identität von rund 300 anwesenden Personen festgestellt. Gegen diese wird nun ein Bußgeldverfahren nach dem Versammlungsgesetz eingeleitet, da sie gegen das verfügte Versammlungsverbot verstoßen haben.