Milchbauern starten Dauerkundgebung vor Minister-Büro
17.05.2016, 18:09 Uhr![Über 200 Milchbauern demonstrierten in Neustadt für die Mengen- und damit Preisregulierung auf dem Milchmarkt. Über 200 Milchbauern demonstrierten in Neustadt für die Mengen- und damit Preisregulierung auf dem Milchmarkt.](https://images.nordbayern.de/image/contentid/policy:1.5205114:1506322063/Bauernprotest.jpg?f=16%3A9&h=816&m=FIT&w=1680&$p$f$h$m$w=b08a84f)
Dieses wurde mit einer Auftaktkundgebung eingerichtet, zu der über 200 Milchbäuerinnen und -bauern aus allen Landesteilen sowie aus Baden Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen mit ihren Schleppern angereist waren. In Tag- und Nachtschichten wollen sie unweit der CSU-Zentrale bis Ende Mai Dauerpräsenz zeigen und dem Agrarminister mit Kuh "Zilly" deutlich machen, dass seine Verweigerungshaltung gegenüber der Forderung einer für die Bauern überlebenswichtigen Marktregulierung "Köpfe rollen" lässt.
Nicht nur jene der Tiere und der Milcherzeuger, wie ihre Landes- und Bundesvorsitzenden Manfred Gilch und Romuald Schaber aufzeigten: "Eine verheerende Bilanz für Minister Schmidt, der uns mit voller Rückendeckung des Bauernverbandes in eine immer tiefere Verschuldung treibt, die Krise unnötig in die Länge zieht." Die Landwirte zeigten ihren Unmut mit deutlichen Worten auch auf Plakaten und Transparenten und skandierten schließlich im Sprechchor: "Schmidt muss weg". Ihm von seiner USA-Visite – Entschuldigung für seine Abwesenheit - die Einreise nach Deutschland zu versagen, riet ein Demonstrationsteilnehmer, ein anderer wollte gleich "alle Schwarzen zum Teufel gejagt" wissen.
Denn ihnen wird es mit dem Koalitionspartner zum Vorwurf gemacht, dass man getrost die Protestplakate von 2007 wieder hochalten konnte, mit denen man gewarnt hatte, dass der "Milchmarkt brennt und es Kanzlerin Merkel verpennt". Nichts habe sich seitdem zum Besseren gewendet - im Gegenteil wie es alle Redner darstellten. Unter ihnen auch der Kreisvorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, Peter Meyer. Wie seine Kollegen wies er auf die stetig dramatischer werdende Situation der Milchbauern hin, unter denen monatliche Verluste von 4000 bis 8000 Euro beklagt wurden und sich diese seit Jahresbeginn in Bayern auf 100 Millionen Euro summieren.
"Ignoranz hat einen Namen: Christian Schmidt"
Die jüngsten Äußerungen von Bundesagrarminister Schmidt ließen klar erkennen, dass er nicht einmal ansatzweise daran denke, die einstimmig gefassten Beschlüsse der Frühjahrsagrarministerkonferenz tatsächlich aktiv anzugehen und wirkungsvolle Marktanpassungsschritte einzuleiten, warfen ihm BDM-Bundesvorsitzendem Schaber und anderen Redner vor. Dabei sei es mit der Mengenregulierung in Europa ein Leichtes, die Finanzkrise der Betriebe zu beenden, die sich aktuell durch den erstmals unter 20 Cent gefallenen Erzeugerpreis für Milch noch verschärfte.
Als Schmidts offenkundige "Mengenregulierung" wurde die drohende Pleite der Betriebe angeprangert, dabei mit scharfem Vokabular vom Totengräber der Milcherzeuger nicht gespart. "Ignoranz und Arroganz hat einen Namen: Christian Schmidt" war auf Transparenten zu lesen, wurde Schmidt als "blind, arrogant, einfallslos und überflüssig dargestellt". "Merkel, Schmidt und Co machen die Milcherzeuger k.o." wurde der Vorwurf erhoben und gefordert "Märkte gestalten, statt Krisen verwalten".
In der angeheizten Stimmung taten sich Landrat Helmut Weiß und Landtagsabgeordneter Hans Herold schwer, sich mit ihrem klaren Bekenntnis zur Landwirtschaft und "großen Verständnis" für die Sorgen der Milchbauern Gehör zu verschaffen. Immer wieder gab es scharfe Zwischenrufe, wurde gar die Aufforderung zu faireren Preisen durch den Handel oder der Appell an die Verbraucher zum bewussteren Einkauf als Heuchelei apostrophiert. BDM-Kreisvorsitzender Meyer wusste in Herold einen stets offenen Gesprächspartner und würdigte auch die Präsenz von Bürgermeister Klaus Meier, der den Bauern zurief, "durchzuhalten und Druck aufzubauen". Es sei schlichtweg unanständig, Milch mit 18 oder 19 Cent zu entlohnen, einen Liter SchickiMicki-Wasser hingegen für einen Euro zu verkaufen, skizzierte er mit Beifall einen "nicht mehr nachzuvollziehenden Wahnsinn".
Milchbauern nicht mit am Verhandlungstisch
Dass diesen der "Milchgipfel" Ende Mai beenden könne, hegt man in der BDM-Spitze keine Hoffnung, die nicht einmal mit am Tisch sitzen wird. Dafür der Deutsche Bauernverband und der Molkereiverband, denen Minister Schmidt hörig sei, die aber ganz andere Interessen als jene der Milchbauern verträten. Jetzt aber "ist Schluss mit lustig, Schmidt Du wirst uns nicht mehr los", rief es der BDM-Landesvorsitzende Manfred Gilch in die zustimmend jubelnde Menge, die so manch angesprochene Unanständigkeit des Ministers, auf dessen Antwortschreiben man seit 2014 wartet, mit gellenden Pfiffen, Sirenen und Kuhglocken quittierten.
Schmidt baue auf freiwillige Branchenvereinbarungen zwischen den Molkereien und den Erzeugerorganisationen, was aber wegen der unterschiedlichen Interessen überhaupt nicht funktionieren könne, wie Bundesvorsitztender Schaber die vertrackte Situation skizzierte und klare Vorgaben des Bundesagrarministeriums zur Organisation forderte und zugleich eine Versachlichung der notwendigen Mengenreduzierung. Die Länderminister und Ministerpräsidenten der Länder werden aufgefordert, "dem Bundesministerium das offensichtliche Ignorieren demokratisch gefasster Beschlüsse nicht durchgehen zu lassen".
Die "Mahnwache" nahe des Wahlkreisbüros von Minister Schmidt wird nach Ankündigung von BDM-Kreisvorsitzendem Peter Meyer von diversen dezentralen Aktionen unterstützt werden. Zudem suche man den Dialog mit Verwaltungsinstitutionen und anderen Verbänden, um Druck auf die Politik aufzubauen. Da dies scheinbar nur gelinge, "wenn Probleme medial bewusst gemacht werden", sollte genau dies mit der spektakulären Auftaktaktion erfolgen, mit der – wie 2007– eine Protestwelle angestoßen werden sollte. "Fortsetzung folgt" meinte Meyer mit zufriedenem Blick auf den starken Rückhalt der Milchbauern weit über die Landesgrenzen hinaus.
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