Plädoyer gegen die Angst: Der Volkstrauertag in Markt Erlbach

18.11.2018, 18:43 Uhr
Plädoyer gegen die Angst: Der Volkstrauertag in Markt Erlbach

© Harald Munzinger

Wie in vielen Orten des Landkreises wurde in einer Feierstunde zum Volkstrauertag den Millionen Opfern gedacht, die zwei Weltkriege forderten und fortwährend immer neue Kriegsschauplätze auf der Welt fordern. So verband denn auch Bürgermeisterin Dr. Kreß das Gedenken mit der Mahnung zu Menschlichkeit und Frieden. Sie richtete dabei den Blick auf die "unglaubliche humanitäre Tragödie" im Jemen, in dem sieben Millionen Kinder vom Krieg bedroht sind, oder auf den Kampf gegen die Huthis in Saudi-Arabien. Dass sich der Westen davon weitgehend unberührt zeige, liege daran, dass es keine Flüchtlingsströme aus dem Jemen und damit auch keinen Druck gebe.

Dann, so hatte es die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation "Save the Children" festgestellt, "wird so ein Konflikt schnell vergessen". Wie schnell die Schrecken des Ersten Weltkrieges mit 17 Millionen Toten vergessen werden konnten und schon gut 20 Jahre später mit dem Beginn des Zweiten ein Vierfaches der Opfer zu beklagen sein sollte, fragte Kreß am Ehrenmal fassungslos, zu dem viele Menschen dem Zug mit Fahnenabordnungen nach dem sehr gut besuchten Gottesdienst in der St. Kilianskirche gefolgt waren. Die Frage, warum sich so schnell nach dem Ersten Weltkrieg in so vielen Staaten Europas autoritäre und diktatorische Regime etablieren konnten, müsse "uns doch auch heute wachrütteln", mahnte die Bürgermeisterin angesichts des erneuten Erstarkens rechtspopulistisch ausgerichteter Parteien.

Für ein Miteinander in Europa

Da sich immer mehr Menschen von geschürften Ängsten und düstersten Zukunftsprognosen anstecken ließen und die Idee eines vereinten Europas in Frage stellten, müsse der Tag des Gedenkens, der stillen Einkehr und Trauer auch "ganz besonders ein Tag der kritischen Reflexion sein, für ein Miteinander in Europa", so Dr. Birgit Kreß. Da der Volkstrauertag genau eine Woche nach dem 100. Jahrestag vom Ende des Ersten Weltkrieges stattfand, galt diesem ihr besonderes Augenmerk. Zumal sich mit diesem in der französischen Partnerstadt Panazol ein Freund beschäftigte und zum Jahrestag des Kriegsendes einen vielbeachteten Vortrag über "die letzten Tage der Soldaten aus Panazol" gehalten und mit Informationen von Gerhard Wagner auch das Gedenken an die Soldaten aus Markt Erlbach einbezogen hatte. Um 70 gefallene Männer im Alter von 21 und 42 Jahren trauert man in Frankreich, in Markt Erlbach um 35 Männer, die am 1. Weltkrieg oder an dessen Folgen verstorben waren. 85 junge Bürger seien es aus dem heutigen Gemeindegebiet gewesen.

Stimme gegen Fremdenhass erheben

Man gedenke an den Volkstrauertagen der Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft aller Nationen, führte Dr. Kreß am Ehrenmal aus, an dem der Gesangverein und eine Bläsergruppe die Feierstunde umrahmten, das Ehrensalut geschossen wurde. Sie bedauerte, dass die Gruppe der Teilnehmer immer kleiner werde, da dem Volkstrauertag nicht mehr die Bedeutung beigemessen werde, die er einmal gehabt habe und haben sollte. Auf der einen Seite sei dies ein Stück weit verständlich, da sich nachfolgende Generationen nicht mehr für das Kriegselend schuldig oder verantwortlich fühlten, doch dürfe man, so Kreß, "nicht verstummen, sondern müsse seine Stimme erheben, wo mit Ressentiments und Parolen gegen Fremde gehetzt wird".

Eine vorurteilsfreie und freundliche Begegnung gegenüber neuen Mitbürgern sei christliche Pflicht, erklärte die Bürgermeister und mahnte davor, bei schwarzen Schafen in ihren Reihen alle Migranten und Neuankömmlinge unter Generalverdacht zu stellen. Deshalb sei es wichtig, sich nicht anstecken zu lassen von angstmachenden und düsteren Parolen, sei doch Angst ein schlechter Ratgeber. Parteien, die sie als ihr erstes und oft einziges Mittel benutzten, um die Aufmerksamkeit des Volkes des binden, seien gefährlich. "Wir das Volk, sind größer, als die Angst", hielt Dr. Birgit Kreß Angstmacherei entgegen, wollte stattdessen Mut machen. "Mut, den es braucht, um Neues zu erkunden, mehr noch, um die Menschheit zu erkunden, mit all der Vielfalt und all den Herausforderung, die sie enthält". Einigkeit und Recht und Freiheit wurden als Glückes Unterpfand mit der Nationalhymne besungen.

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