NightLiner-S-Bahnen: Geld wäre ausreichend vorhanden

11.1.2019, 05:49 Uhr

Wer schon einmal spätnachts aus Erlangen nach Nürnberg heimfahren musste, kennt das Problem. Da die S-Bahnen in der Zeit zwischen ein und fünf Uhr nicht mehr verkehren, ist man auf den NightLiner angewiesen. Doch anstatt 25 Minuten auf der Schiene, verbringt man so fast eine Stunde im oft chronisch überfüllten Bus. Und mit etwas Pech verpasst man auch noch seine Anschlussverbindung. Ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr sieht anders aus.

Das sieht auch der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) so. Deshalb setzt er sich seit langem für eine Ausweitung des S-Bahn-Angebots an Wochenenden und Feiertagen auf die Nacht ein. Die Krux an der Sache: Zuständig ist jemand anderes.

Die S-Bahn gehört zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Dessen Finanzierung und Planung ist Ländersache. Dafür erhalten sie vom Bund Gelder aus der Mineralölsteuer - sogenannte Regionalisierungsmittel. Damit werden dann S-Bahnen, aber auch Regionalzüge finanziert.

Für die genaue Ausarbeitung der Fahrpläne ist die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) zuständig. Um möglichst wirtschaftlich zu arbeiten, werden die Angebote ausgeschrieben. Bei der letzten Ausschreibung des Nürnberger Netzes erreichte der Zweckverband VGN die Aufnahme von zwei "Eventualpositionen". Gemeint sind Projekte, deren Umsetzung noch nicht klar ist. Eines davon: die Einführung des Nachtverkehrs.

Petition mit 2500 Unterstützern

Anfang 2018 rief der Verkehrsclub Deutschland (VCD) eine Petition ins Leben, die "NightLiner-S-Bahnen" für die Region forderte. Die Unterschriftenliste mit 2500 Unterstützern wurde dem Landtag übergeben. Im September dann die Ernüchterung: Die CSU-Mehrheit im Wirtschaftsausschuss schmetterte den Vorschlag ab.

Die offizielle Begründung: Im vorigen Jahr habe man sich gemeinschaftlich auf eine Taktverdichtung der S-Bahn nach Altdorf, der zweiten Eventualposition, geeinigt. "Die NightLiner waren 2017 wegen Finanzierungsfragen zurückgestellt worden." Eine Entscheidung im engeren Sinne sei also gar nicht gefallen.

Für Bernd Baudler, Vorsitzender des VCD Nürnberg, ist das nur schwer nachvollziehbar. "Die Vorteile einer Ausweitung des S-Bahnverkehrs liegen auf der Hand", meint er. Neben Umweltaspekten zählt er auch die Vermeidung von Disco-Unfällen dazu. Andere Städte wie Frankfurt (siehe Infokasten) hätten deshalb bereits entsprechende Angebote.

Eine Frage der Prioritäten

Auf viel Verständnis stoßen diese Aussagen bei den Christsozialen in der Region. "Wir sehen das Anliegen sehr positiv", erklärt Andreas Krieglstein, verkehrspolitischer Sprecher der CSU-Stadtratsfraktion Nürnberg. Im Moment würden Gespräche geführt — "wir stehen aber noch am Anfang". "Hoffnungsvoll gestimmt" ist er dennoch. Schließlich habe Ministerpräsident Söder zuletzt Bereitschaft zur Förderung des ÖPNV gezeigt, etwa in Hinblick auf das angekündigte 365-Euro-Ticket.

Was Krieglstein aber auch sagt: Die Ausweitung des Nachtangebots habe nicht oberste Priorität. Zunächst einmal müsse die Taktung für Berufspendler verbessert und der Streckenausbau vorangetrieben werden.

Als "nicht prioritär und nicht geplant" bezeichnet die BEG die Einführung. Zunächst müsse umgesetzt werden, dass bayernweit in den regulären Zeiten alle Bahnhöfe stündlich bedient werden. Eine Ausweitung des Angebots auf die Nachtstunden werde dort geprüft, "wo dieses Grundangebot angesichts der vorhandenen Nachfrage nicht ausreichend ist", erklärt das Verkehrsministerium.

Ist das für die Region der Fall? Eine verlässliche Prognose zur Nachfrage kann der VGN nicht abgeben. Jedoch würde das Einzugsgebiet räumlich "erheblich" erweitert werden — Bamberg, Ansbach, Neumarkt und Roth wären erreichbar. 1,5 Millionen Menschen leben in dem gesamten Bereich.

Große Rücklagen

In Gesprächen wird immer wieder auf "Finanzierungsfragen" verwiesen. Tatsächlich aber gestaltet sich die Ausgangslage recht komfortabel.

Die Regionalisierungsmittel nehmen seit Jahren zu: Von heuer 1,27 Milliarden Euro sollen sie bis 2031 auf 1,7 Milliarden anwachsen. Rücklagen von 800 Millionen Euro kann der Freistaat laut bayerischem Verkehrsministerium aktuell aufweisen.

 

Das Geld, um auch die zweite Eventualposition, die weniger als zwei Millionen Euro im Jahr kostet, umzusetzen, wäre also da, argumentiert Bernd Baudler. Warum das bisher noch nicht passiert ist? Einen "bösen Verdacht" habe er: "ein großes Loch in München" könnte die Ursache sein.

Krux liegt in München

Damit spielt er auf den Bau der zweiten Münchner Stammstrecke an. Für 3,2 Milliarden Euro wird die S-Bahnstrecke dort ausgebaut.

1,3 Milliarden davon will der Freistaat übernehmen. Geplant ist, 480 Millionen Euro von den angesparten Regionalisierungsmitteln zu verwenden, lässt eine Ministeriumssprecherin verlauten.

Vor einem Jahr erklärte der damalige Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann vor dem Wirtschaftsausschuss noch, man wolle 935 Millionen aus Regionalisierungsmitteln verwenden. Zwei Drittel davon seien bereits angespart. Das entsprach beinahe exakt den damaligen Rücklagen.

Die Hintergründe dieser widersprüchlichen Aussagen sind unklar. Sollten sich die jetzigen Angaben aber bewahrheiten, stehen mit den verbleibenden rund 320 Millionen Euro mehr als genug Mittel zur Verfügung für eine Nacht-S-Bahn. Der VGN verspricht deshalb, das Anliegen gegenüber der BEG bei der Regionalkonferenz im Frühjahr anzusprechen.


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