Nitrat im Grundwasser: Bauern in Bayern zweifeln Messungen an

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

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28.1.2020, 06:00 Uhr
Gülle aus der Viehhaltung verwenden die Bauern, um ihre Felder fruchtbarer zu machen. Doch wann und wie die Gülle ausgebracht werden darf, unterliegt detaillierten Vorschriften. Erst 2017 wurden sie in der Düngeverordnung verschärft, nun sind noch strengere Vorgaben im Gespräch.

© Philipp Schulze/dpa/Archivbild Gülle aus der Viehhaltung verwenden die Bauern, um ihre Felder fruchtbarer zu machen. Doch wann und wie die Gülle ausgebracht werden darf, unterliegt detaillierten Vorschriften. Erst 2017 wurden sie in der Düngeverordnung verschärft, nun sind noch strengere Vorgaben im Gespräch.

Wer den Bauern und ihren Unterstützern in der hohen Politik in den vergangenen Wochen zuhörte, musste sich mächtig wundern, wie denn nur jemals irgendjemand auf den Gedanken kommen konnte, der Landwirtschaft die Schuld an der hohen Nitratbelastung des bayerischen Grundwassers zu geben.


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Mit dem Satz "da werden rote Gebiete für einen ganzen Landkreis ausgewiesen, nur weil irgendwo ein Hund hingeschissen hat", etwa diskreditierte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei der Bauern-Demo in Nürnberg auf einen Schlag das seit Jahrzehnten immer weiter verfeinerte Messsystem. Mit der Äußerung "ich wage zu behaupten, dass in vielen Fällen nicht bewiesen werden kann, dass die Landwirte für die hohen Nitratwerte verantwortlich sind", wies er gar (fast) die ganze Schuld von den Landwirten.

Mehr Messstellen

Die 600 Messstellen in Bayern seien viel zu wenig und oft falsch platziert, hieß es von Seiten des Bauernverbandes. Wenn es nur genug Messstellen geben würde im Freistaat, würde von den roten Gebieten, in denen die Landwirte wegen der hohen Nitratwerte besondere Auflagen erfüllen müssen, kaum mehr etwas übrig bleiben.

"Die Methodik der Herleitung der roten Gebiete ist lediglich eine vage Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse", meint Ottmar Braun, Geschäftsführer des Bauernverbandes in Mittelfranken.

Ob dieser Aufregung, bemüht sich die Politik, schnell zu liefern. "Ich habe vorgeschlagen, das Messnetz auszuweiten. Wir wollen die Zahl der Messstellen auf rund 1500 mehr als verdoppeln. Daneben arbeiten wir an einem Konzept, das Messnetz vor Ort transparent und nachvollziehbar darzustellen", beteuert Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler).

Kampagne von Nitrat-Hysterikern?

Waren die Bauern also nur Opfer einer perfiden Kampagne von Nitrat-Hysterikern? Wohl nicht ganz. "Wenn es bald mehr Messstellen gibt, wird es ein böses Erwachen für die Bauern geben. Da werden ihnen die Augen dann so richtig aufgehen. Man wird sehen, dass wir ein Nitrat-Problem haben – und dass hauptsächlich die Landwirtschaft dafür verantwortlich ist", glaubt ein behördlicher Nitrat-Experte, der aufgrund der Brisanz der Thematik lieber nicht namentlich genannt werden möchte.

"Das Messnetz war schon bisher sehr repräsentativ. Große Änderungen werden wohl auch mehr Messstellen nicht ergeben. Allenfalls wird es an den Rändern der roten Gebieten in Nuancen anders sein", meint auch Thomas Keller, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach.

Seine Behörde hat bereits den Auftrag bekommen zu prüfen, an welchen vorhandenen Messstellen man künftig auch Nitratwerte müssen könnte (die Wasserversorger in Bayern verfügen über mehrere Tausend Messstellen) und wo zusätzliche Messungen möglich und sinnvoll wären.
"Grundsätzlich können wir aber nur genauere Daten liefern. Bei der Frage, wie man überschüssigen Stickstoff besser in den Griff bekommt, ist ausschließlich die Landwirtschaft gefragt. Von dort müssen Lösungsvorschläge kommen", betont Glauber.

21 Prozent von Bayern sind "rote Gebiete"

Im Jahr 2017 (neuere Daten wurde noch nicht veröffentlicht) lagen die Nitratwerte bei 10,2 Prozent der bayerischen Messstellen über dem Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter. Ein guter chemischer Zustand des Grundwassers auf Basis der Wasserrahmenrichtlinie ist derzeit auf 32 Prozent der Landesfläche wegen Nitrat und Pflanzenschutzmitteln nicht gegeben, 21 Prozent der Landesfläche wurden zu "roten Gebieten" erklärt, in denen die Bauern besondere Auflagen zu erfüllen haben. Argumente aus der Landwirtschaft, dass zum Beispiel undichte Kläranlagen für die hohen Werte verantwortlich sein könnten, weisen die Experten zurück. Ganz so einfach ist die Sache aber wohl trotzdem nicht.

"Es wird das Gefühl verbreitet, dass nur schlechte Landwirtschaft schuld ist an den hohen Nitratwerte. Tatsächlich sind es aber oft die natürlichen Gegebenheiten", betont Thomas Keller vom Wasserwirtschaftsamt Ansbach.

 

 

In mächtigen, bindigen Böden etwa verweilt das Sickerwasser länger. Es bleibt mehr Zeit, damit Bakterien das Nitrat abbauen können. Anderswo hingegen gelangt das Nitrat schnell ins Grundwasser. Geringe Niederschläge wie in Westmittelfranken und Unterfranken verschärfen das Problem weiter. 

Der Bauernverband fordert deshalb, dass die Bauern in den roten Gebieten von Auflagen befreit werden, wenn sie besonders effizient und gewässerschonend arbeiten. Betroffene Betriebe sollten kostenlos beraten werden und finanzielle Unterstützung bei notwendigen Investitionen und betrieblichen Veränderungen bekommen.

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