NSU-Prozess: War Zschäpe in Nürnberg?
7.8.2013, 18:53 UhrRoseanne hat es nicht leicht im Leben: Arbeitslosigkeit, Geldsorgen, die überstürzte Heirat ihrer Kinder – im Fernsehen lösen die Conners aus Fulton County, Illinois, die großen und kleinen Alltagsprobleme ihrer TV-Serie mit ganz eigenen Humor. Schlagfertig und galgenhumorig spielt die Schauspielerin Roseanne Barr die Rolle der Roseanne so, dass sich ihr rundes Gesicht bei den Zuschauern einprägt.
Am 9. Juni 2005 erkennt eine Nürnbergerin Roseanne in einem Supermarkt an der Lorschstraße. Sieben Jahre später ist sich die Frau sicher: Roseanne ist Beate Zschäpe.
Stimmt diese Beobachtung, wäre sie bahnbrechend: Dann wäre der Mord an dem Türken Ismail Yasar der einzige, bei dem eine Zeugin Beate Zschäpe nur wenige Meter von einem Tatort entfernt beobachtet. Zur Tatzeit, 20 Minuten vor der Hinrichtung des Mannes, beobachtete sie auf einem Spielplatz zwei Fahrradfahrer. Die saßen damals auf einer Bank, nur 200 Meter entfernt vom Parkplatz des Edeka-Marktes, auf dem Yasar in seinem Imbissstand Döner vom Spieß säbelte. Die Zeugin erkannte aus einer Auswahl von mehr als 20 Lichtbildern Uwe Mundlos an seiner schmalen Gesichtspartie und den wenigen Haaren wieder.
Mehrere Schüsse
Den erkannten auch zwei weitere Zeugen wieder, die sich gegen 10 Uhr in der Scharrerstraße aufhielten. Eine Zeugin erkannte ziemlich genau um zehn Uhr neben Yasars Dönerbude mit hoher Wahrscheinlichkeit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos wieder. Einer der Männer, berichtete sie der Polizei, habe dem anderen einen länglichen, in eine gelbe Plastiktüte eingewickelten Gegenstand in den Rucksack gesteckt. Aufgefallen war ihr erstmals das Duo, als sie die Beiden schon 20 Minuten vorher passierte. Da studierten die Männer einen Stadtplan unweit des Imbissstandes. Zeugen in anderen dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zur Last gelegten Morden hatten Fahndern ebenfalls von solch einem ähnlichen Verhalten berichtet.
Unmittelbar vor dem Imbissstand in der Nürnberger Scharrerstraße musste ein weiterer Zeuge sein Auto stoppen, um eine Fußgängerin und zwei Fahrradfahrer über die Scharrerstraße gehen zu lassen. Spontan und eindeutig erkannte er Mundlos als den ersten der beiden Radfahrer, die sein Auto passierten. Beide Männer, beschreibt der Zeuge, hätten unmittelbar vor Yasars Dönerstand aufeinander gewartet und sich dort getroffen. Nachdem der Augenzeuge weiterfuhr und an der nächsten Querstraße wegen einer roten Ampel anhalten musste, hörte er mehrere Schüsse.
Der „böse Blick“, den ihr einer der beiden Radfahrer mit seinen „braunen Augen“ zuwarf, erschreckte eine weitere Zeugin. Bedroht habe sie sich gar gefühlt von den beiden Männern, die mit ihren Fahrrädern vor dem Dönerstand gestanden hätten. Einer habe in den Stand hineingesehen. Wenig später, um 9.57 Uhr, will die Zeugin vier oder fünf dumpfe Schussgeräusche gehört haben.
Zwei Trekkingräder sah auch ein Augenzeuge, der um genau diese Zeit Yasars Imbissstand passierte. Um 10.03 Uhr hob er in der nahegelegenen Sparkasse an einem Automaten Geld von seinem Konto ab. Die Räder seien achtlos an der Bude abgelegt gewesen. Er habe aber niemanden in dem Vorzelt bemerkt, das Ismail Yasar vor seinen Dönerimbiss gebaut hatte.
Glaubwürdig sind alle diese Zeugen für die Ankläger. Bereits 2009 rekonstruierten Ermittler der Nürnberger Polizei aufwendig, ob die Zeugen gesehen und gehört haben konnten, was sie in ihren Vernehmungen beschrieben. Das Ergebnis: Vier Zeugen, sind die Fahnder überzeugt, hätten das Kerngeschehen beobachtet.
Von langer Hand vorbereitet
Das von langer Hand vorbereitet wurde, wenn die Richter dem glauben, was ein Kriminalkommissar des Bundeskriminalamtes aus dem Asservat 2.12.280 liest. Auf dem DinA4-Blatt sind sechs Adressen wie Asylbewerberheime und Wohnungen von Ausländern in Nürnberg aufgelistet. Handschriftlich ist auf dem am 25.Mai 2005 ausgedruckten Papier der Vermerk „X 7“ hinzugefügt worden. „Neben Post Imbiss“ hat jemand auf den Farbausdruck geschrieben, der im Brandschutt des Hauses in Zwickau gefunden wurde, in dem Beate Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gewohnt haben. X 7 zeigt den Dönerstand von Ismail Yasar in der Nürnberger Scharrerstraße. Der Ort, an dem der türkische Staatsbürger am 9. Juni 2005 erschossen wurde.
Der sechste Mord, der dem NSU zugeschrieben wird, war für Manfred Hänßler, damaliger Leiter der Nürnberger Mordkommission, einer, der ein „ausländerfeindliches Motiv“ hatte. In der großen Ermittlungsgruppe, zu der auch die BAO Bosporus gehörte, habe daran nach dem Mord an Yasar „kein Zweifel“ mehr bestanden. Ein Grund, dass die Fahnder ein Team bildeten, das sich auf Recherchen in der militanten Neonazi-Szene spezialisierte. Diese Gruppe forderte beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz Unterstützung an: Man habe Datensätze zu Rechtsextremisten aus ganz Bayern haben wollen, sagt der Kriminalhauptkommissar aus. Bekommen hätten die Polizisten aber nicht alles: „Der Verfassungsschutz hat nicht alles herausgerückt, was wir haben wollten.“
Der Artikel wurde am Mittwochabend, 19.00 Uhr, aktualisiert.
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