Kalenderblatt
11. Juli 1971: Mary McCarthy zu Besuch in Nürnberg
11.7.2021, 07:00 UhrFür die kunsthistorisch interessierte Autorin – sie schrieb Bücher über Florenz und Venedig – hat sich der Trip gelohnt; doch in Bamberg, meinte sie gestern nach einem Abstecher in die Dom-Stadt, seien die Menschen „lebensfroher“. Wir stellten Mary McCarthy ein paar Fragen vor ihrer Abreise.
Mrs. McCarthy, was waren ihre herausragenden Nürnberg-Impressionen?
McCarthy: Die Dürer-Schau natürlich. Und der Wiederaufbau dieser Stadt – es ist einfach überwältigend („pathetic“). Auf dem ehmaligen Reichsparteitaggelände war ich wie vom Donner gerührt („thunderstruck“). Ich habe Albert Speers Buch gelesen, aber das hatte ich einfach nicht erwartet. Wissen Sie, in Italien haben die faschistischen Bauten, ob sie nun schön oder häßlich sind, noch einen einigermaßen erträglichen Maßstab zu ihrer Umgebung, aber hier ist alles so erschreckend überdimensioniert.
Meinen Sie, man sollte diese Bauten bestehen lassen?
McCarthy: Ja, ganz bestimmt. Sie sind Dokumente, wert, erhalten zu bleiben. Was ist Ihnen noch aufgefallen?
McCarthy: Wieder war ich wie vom Donner gerührt, als ich diese vielen, bis an die Zähne bewaffneten amerikanischen Soldaten sah. Was tun die eigentlich hier? Die gehören doch nicht hierher. Ich finde, sie sollten nach Hause gehen.
Sie wollen für das altrenommierte Magazin „The New Yorker“ über den Medina-Prozeß berichten. Warum?
McCarthy: Ich kann mir nicht helfen, aber für mich gibt es doch noch graduelle Unterschiede zwischen der Schuld der Piloten, die aus großer Höhe vernichtende Bomben abwerfen, und diesen Leuten von My Lai, die im Angesicht des Schreckens morden. Ich möchte mehr darüber erfahren – und mitteilen.
In Ihrem Erfolgsroman. „Die Clique“ wird auch das Problem der weiblichen Emanzipation angeschnitten. Was halten Sie von der militanten „Womens Liberation Front“ in den Staaten?
McCarthy: Ich kann nicht darüber begeistert sein. Soll man wirklich ein universales Gesetz daraus machen, daß Männer zum Abspülen verpflichtet sind? Die ökonomischen Forderungen dieser Bewegung akzeptiere ich. Aber wissen Sie, die andere Seite – ich mag Männer. Ich habe mich noch nie von Ihnen unterdrückt gefühlt.
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