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16. Januar 1972: Neue Räume für das alte Bilder-Magazin

16.1.2022, 07:00 Uhr
16. Januar 1972: Neue Räume für das alte Bilder-Magazin

© Rudolf Contino

Das Direktorium der städtischen Museen bereitet sich inzwischen auf den Umzug vor. Noch in diesem Monat nämlich sollen die modern ausgebauten Räume im Neutorturm das umstrittene Depot unterhalb der Burg ersetzen. Damit wird, so hofft Direktor Dr. Heinz Schreyl, die Zeit des Improvisierens vorbei sein. Die weit verzweigten Gewölbe in der Altstadt entsprechen schon lang nicht mehr den Voraussetzungen für eine gute und übersichtliche Lagerung der Kunstbestände. Obwohl die Gemälde aus städtischem Besitz in trockenen und beheizten Zellen untergebracht sind, läßt sich eine hin und wieder zu hohe Luftfeuchtigkeit nicht vermeiden. Sie frißt an den Farben, an Rahmen und Leinwänden. Das heißt also: Schäden an den Bildern würden sich auf die Dauer nicht aufhalten lassen, denn an den Kellerwänden läuft Wasser herunter, nasse Gänge außerhalb der Zellen gehören mit zu den Unannehmlichkeiten in den ehemaligen Kunstbunkern. Wie Dr. Schreyl dazu erklärt, fehlt in diesen unterirdischen Depots auch jede Übersicht. Eingeschachtelt in viel zu niedrigen Räumen lagern die Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert hinter panzerschrankdicken Türen als gelte es, eine Juwelensammlung zu hüten. Juwelen aber gibt es nach Ansicht Schreyls unter diesen Gemälden kaum.

Er ließ nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren erst einmal registrieren, was in der Oberen Schmiedgasse an künstlerisch Wertvollem überhaupt aufbewahrt wird. Dabei stellte er fest, daß von den rund 500 Bildern vielleicht zehn Prozent „museumswürdig“ sind, 30 Prozent könnte man bei kulturgeschichtlichen Ausstellungen noch zeigen, der Rest wäre höchstens als Dekoration für städtische Büros tauglich. Bleibt ein „Bodensatz“, mit dem niemand etwas anzufangen weiß. Die interessantesten Stücke aus diesem Depot, das steht bei einer Durchsicht außer Zweifel, sind inzwischen längst als Dauerleihgabe der Stadt ins Germanische Nationalmuseum gewandert. Was übrig blieb (darunter als Raritäten ein Böcklin, Bilder von Stuck oder vom Wiener Biedermeier-Maler Theodor Alt) soll jetzt wohlgeordnet – einen neuen, besseren Platz finden. Für rund 130 000 Mark hat die Stadt den Neutorturm innen so herrichten lassen, daß ein Bilder-Magazin „für die Ewigkeit“ geschaffen wurde. Mit heller Neonbeleuchtung, der richtigen Temperatur, Klinker- und Holzverkleidung und – als modischste Errungenschaft – mit Aufzug im Gemäuer, damit man die Bilder nicht einzeln die vielen Wendeltreppen hinauf- und herunterschaffen muß. In drei Etagen sind bewegliche Hängerahmen angebracht worden, damit man endlich bequem aussuchen, ordnen und auch reduzieren kann, wenn’s nottut. Denn ein Friedhof soll aus dem Neutorturm nicht werden, das hat sich Dr. Schreyl vor dem Umzug zumindest vorgenommen. Und die Gefahr, daß die bei näherer Betrachtung oft recht zweifelhafte „Kunst“ heimatlicher Wald- und Wiesenmaler dem Schimmelpilz zum Opfer fällt, dürfte endgültig gebannt sein.

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