2000 Impfgegner in Nürnberg: Polizei spricht von aggressiven Szenen
10.5.2020, 14:55 Uhr"Impfzwang ist Körperverletzung", steht auf einem Schild, "Mein Körper, meine Entscheidung" auf einem anderen - die Menschen, die sich am Samstag vor der Nürnberger Lorenzkirche versammelten, waren bunt gemischt, aus allen politischen Lagern, Verschwörungstheoretiker und mehrere bekannte Rechtsextreme aus der Region. Die Mundschutz-Pflicht geht ihnen zu weit, sie kokettieren mit kruden Ideen einer Weltregierung, skandieren "Wir sind das Volk!". Zwei eher kleinere Demonstrationen mit wenigen Dutzend Teilnehmern waren angemeldet, es kamen aber laut Polizeiangaben 2000 Menschen. Es sei zu einer Ansammlung gekommen, "die eine Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands nicht mehr möglich machte", so das Präsidium Mittelfranken in einer Pressemitteilung. Deshalb schritten die Einsatzkräfte ein. Zuvor verlief eine Kundgebung unter dem Motto "Lesen für Demokratie" störungsfrei.
Es waren laut der Polizei zahlreiche Passanten und Touristen, die sich rund um die Lorenzkirche tummelten. Die 50 Menschen, die die Kundgebung angemeldet hatten, demonstrierten innerhalb einer Absperrung, ordnungsgemäß und friedlich. Doch vor Ort wuchs die Menge. "Eine Vielzahl", heißt es, "trug trotz der engen Platzverhältnisse keinen Mund-Nasenschutz." Mit Lautsprecherdurchsagen und persönlichen Gesprächen versuchte die Polizei Platz zwischen den Demonstranten zu schaffen. "Allerdings musste die Polizei feststellen, dass sich in der Menschenmenge teilweise unabhängig vom ursprünglichen Versammlungsgeschehen weitere Interessengruppen unterschiedlichster gesellschaftlicher und politischer Ausrichtung bildeten."
Rechte spielen in Coronakrise mit Verschwörungstheorien
Und in der Tat: Einige gaben sich als Anhänger von Verschwörungstheorien zu erkennen. "Über meinen Körper bestimme ich und nicht Bill Gates" stand etwa auf einem Schild. Auch Vertreter der Hooligan-Szene und der Gelbwesten-Vereinigung, die ihren Ursprung in Frankreich hat, fanden sich unter den Demonstranten, einige machten für die umstrittene Bewegung "Widerstand 2020" Werbung. Das Aushängeschild der selbsternannten Partei ist Bodo Schiffmann, ein Arzt aus Sinsheim, der mit Videos im Internet zu Berühmtheit kam. Er kritisiert etwa das Robert-Koch-Institut und die Einschränkung der Freiheitsrechte während der Corona-Pandemie.
Polizei untersagt Spontan-Demo - "Verbale und körperliche Gebärden"
In Nürnberg, so die Polizei, entlud sich "aggressiver Unmut", nachdem eine weitere spontante Demonstration wegen der beengten Platzverhältnisse nicht zugelassen wurde. Viele Teilnehmer brachten sogar ihre Kinder zum Spielen und Toben mit, umarmten sich demonstrativ. Der Initiator, ein 34 Jahre alter Mann, habe sich "uneinsichtig verhalten", so das Präsidium, das von verbalen und körperlichen Gebärden gegen die Einsatzkräfte spricht. Die Polizisten drängten die Demonstranten deshalb unter "kurzzeitiger Anwendung von Zwang von der Örtlichkeit". Die Personen verließen den Platz vor der Lorenzkirche - die Situation entspannte sich. Zwischenzeitlich hatten die Behörden eine Auflösung der Demonstration erwogen, sich aber dagegen entschieden - aus Gründen der Verhältnismäßigkeit.
Im Einsatz waren neben Kräften der Nürnberger Polizei auch eine Einsatzhundertschaft des Polizeipräsidiums sowie Einheiten der Bereitschaftspolizei. Es habe keine Verletzten, wohl aber Anfeindungen gegeben, heißt es. Ein 39-Jähriger etwa wurde festgenommen, nachdem er wiederholt Polizisten beleidigt hatte. Gegen den 34-Jährigen, der am Samstag versucht hatte eine unangemeldete Versammlung zu organisieren, wird ein Verfahren nach dem Versammlungsgesetz eingeleitet. Die Ermittlungen werden vom Kommissariat für Staatschutz bei der Kriminalpolizei geleitet.
Im weiteren Verlauf der Demonstration sei der gebotene Mindestabstand eingehalten worden, so die Polizei. Es hielten sich allerdings weiter Hunderte auf dem Platz auf. Eine weitere Versammlung, die vor der Lorenzkirche ursprünglich für 16.30 Uhr angemeldet worden war, wurde vom Veranstalter kurzfristig abgesagt.
Vergleichbare Demonstrationen wie in Nürnberg gab es am Wochenende überall in Deutschland, unter anderem in Ansbach, Forchheim und Weiden. In München protestierten gut 3000 Menschen gegen die - aus ihrer Sicht - zu strikten Infektionsschutzbestimmungen, in Stuttgart waren es mehrere Tausend. Eine konkrete Zahl nannten die Behörden dort zunächst nicht. In Berlin nahm die Polizei wegen Nichteinhaltung der Regeln zur Corona-Eindämmung gut 30 Menschen fest, dort wurden vor allem Personalien festgestellt. In Frankfurt protestierten 500 Personen und zogen mit Transparenten, auf denen "Legt den Maulkorb ab" und "Widerstand" stand, durch die Innenstadt.
Die Polizei Mittelfranken reagierte im Nachgang auf Facebook auf den Wirbel, den die Demonstration verursacht hat. Konkret schreibt das Präsidium:
"Bittet verhaltet Euch fair gegenüber Euren Mitmenschen. Haltet Abstand, tragt Euren Mundschutz und lasst Euch nicht von Verschwörungstheorien im Internet verwirren. Nur dann, wenn wir alle besonnen handeln und uns nicht verunsichern lassen, werden wir die jetzige Situation erfolgreich meistern!"
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