27. Mai 1969: Sudetendeutscher Tag in Nürnberg

27.5.2019, 08:00 Uhr

Die Nürnberger hatten am Pfingstsonntag die Altstadt für die Sudetendeutschen geräumt. In 15 Sonderzügen der Bundesbahn, in zahllosen Omnibussen und in endlosen Autokarawanen führte das XX. Treffen die vertriebenen Deutschen aus der Tschechoslowakei von Nord und Süd, Ost und West an die Pegnitz. Nach Angaben der Polizei sollen es 100 000, nach Schätzungen der Veranstalter zwischen 300 000 und 400 000 Menschen gewesen sein, die traditionsgemäß die einmalige Gelegenheit nützten, Nachbarn, Bekannte und Freunde aus der Heimat zu suchen, mit ihnen zu plaudern und Erinnerungen zu wecken.

Eine vorbildliche Organisation sorgte dafür, daß sich die ehemaligen Bewohner der sudetendeutschen Städte und Landschaften leicht fanden. In den Messehallen hörte sich das Stimmengewirr an wie das Summen eines gewaltigen Bienenhauses. Dort trafen sich die Menschen aus Mähren, dem Altvatergebiet, dem Riesengebirge, dem Böhmerwald und aus anderen Gebieten. Auf dem Volksfestplatz waren vier Zelte für die Egerländer aufge-schlagen. Dort wurden am Sonntag allein 80 000 bis 90 000 Landsleute gezählt.

Kundgebung war Höhepunkt

Auch der Stadtpark, der Luitpoldhain, das Gelände um den Dutzendteich und viele Gaststätten boten sich bei strahlendem Sonnenschein zum Wiedersehensplausch an.

Offizieller Höhepunkt des Treffens war am Sonntag die große Kundgebung der Sudetendeutschen Landsmannschaft auf dem Hauptmarkt, an der nach Angaben der Veranstalter mehr als 50 000 Menschen teilnahmen. Zuvor hatte der katholische Bischof der Vertriebenen, Weihbischof Dr. Adolf Kindermann, Hildesheim, eine Pontifikalmesse unter freiem Himmel zelebriert. Seine Predigt stellte er unter das Motto des Treffens: „Gerechtigkeit schafft Frieden“. Weitere Gottesdienste fanden für die Evangelischen in St. Sebald, für die Altkatholiken in der Peterskapelle statt.

Der Egerländer Marsch klang auf, als die Sudetendeutsche Jugend mit ihren Fahnen, Wimpeln und Wappen der Städte zur Feierstunde einmarschierte. Unter stürmischem Beifall begrüßte ein Sprecher Abordnungen aus Österreich und Schleswig-Holstein, aus Berlin, Nordrhein-Westfalen und aus Niedersachsen, aus Baden-Württemberg und aus den sieben bayerischen Regierungsbezirken. Die prominentesten Ehrengäste waren Dr. Otto von Habsburg und der regierende Fürst von Liechtenstein, Franz Josef II, Herzog von Troppau und Jägerndorf. Über den Verlauf der Kundgebung berichten wir im politischen Teil dieser Ausgabe.

Zu Zwischenfällen kam es weder bei der Feierstunde noch bei anderen Veranstaltungen. Nur die Hitze setzte manchen von weit hergereisten Besuchern zu. Das BRK, die Arbeitersamariter, die Johanniter und die Malteser mußten zahlreiche Ohnmächtige versorgen. Einsatzkräfte der Polizei wurden nicht benötigt. Junge Mitglieder der Landsmannschaften im grauen Hemd und mit Sprechfunkgeräten wirkten als Ordnungskräfte der Veranstalter.

Im Fackelschein versammelte sich nach Einbruch der Dunkelheit die Sudetendeutsche Jugend auf dem Ölberg unterhalb der Kaiserburg. Dort legte sie ein Bekenntnis zur Heimat ab, die sie zwar nicht kennt, deren „Stempel ihr jedoch tief ins Herz gegraben“ sei. Anschließend formierte sich ein Fackelzug, der unter Trommelklang vom Burgberg über den Hauptmarkt zum Waffenhof zog. Die letzten Lichter verließen den Ölberg, als die Spitze bereits die Lorenzkirche erreicht hatte.

Für die Jugend – 25 000 junge Menschen sind im Bundesgebiet in Gruppen organisiert – war auf den Sportplätzen vor dem Stadion für drei Tage ein Zeltlager aufgebaut worden. Am Samstag standen Sportwettkämpfe auf dem Programm. Am Abend wurde im kleinen Saal der Meistersingerhalle ein musischer Wettstreit ausgetragen, an dem 25 Gruppen teilnahmen. Parallel dazu lief im großen Saal ein Volkstumsabend, zu dem der Andrang so stark war, daß die Polizei wegen Überfüllung schließen mußte.

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