28. Juli 1967: In Badehosen auf Raub
28.7.2017, 07:00 Uhr„Es ist furchtbar“, stöhnt der Leiter des Badeamtes, Hanns Dürschner. Vor allem Kinder im Alter zwischen 10 und 13 Jahren erweisen sich als raffinierte Diebe. Angefangen von Kleidern über goldene Uhren und Photoapparate bis zu prallgefüllten Geldbörsen ist nichts vor ihnen sicher. In einzelnen Fällen haben Schüler schon regelrechte kleine Banden gebildet, die in Badehosen auf Raubzüge ausgehen.
Die Polizei läßt ständig Zivilstreifen ausschwärmen und das Gelände um die Beckenränder überwachen. Die Beamten haben bereits zahlreiche Übeltäter gefaßt, aber verhindern können sie die Diebesserie nicht. Ihr einziger Rat, der allein Aussicht auf Erfolg hat: die Besucher sollen Wertgegenstände zu Hause lassen und nur geringe Geldbeträge mit ins Schwimmbad bringen.
Die meisten Diebstähle sind bisher im Freibad West gemeldet worden. Während im Stadion- und Naturgartenbad die Kleider an der Garderobe abgegeben werden, ist im Freibad West ein neues System eingeführt worden, das nur einen geringen Arbeitsaufwand erfordert. Die Chancen für Langfinger sind dadurch aber leider entschieden gewachsen: die persönliche Habe kann dort in 5.600 Kleiderkästen hinterlegt werden. „Wenn jeder Badegast ein Sicherheitsschloß für eine Tagesgebühr von 30 Pfennig leihen oder für drei Mark kaufen würde, könnte niemand einen Schaden anrichten“, erklärt Badeleiter Günter Kilian. Aber viele Besucher sparen zweifellos auf der verkehrten Seite und bringen einfache Vorhangschlösser mit, die aufzubrechen keine Schwierigkeit bedeutet.
Dazu die Polizei: „Die Kinder suchen sich Nachschlüssel und probieren solange, bis ein Schloß aufspringt. Die Burschen haben es fast ausschließlich auf Geldbörsen abgesehen. Einige sind auch schon mit Werkzeugen angerückt und haben Schlösser kurzerhand durchgezwickt.“ Über die Praktiken der jugendlichen Diebe kann Günter Kilian ein Lied singen. „Im Durchschnitt sind es fünf oder sechs Lausbuben“, sagt er, „von denen drei Schmiere stehen. Wenn die Situation brenzlig wird, ertönt ein schriller Pfiff und im Nu sind die Kerle wieder verschwunden.“
Trotzdem sind bisher schon etwa zehn Knaben erwischt worden. Sie wagen sich nur an die Herren-Kleiderkästen. In die Damenkabinen trauen sie sich nicht vor, weil sie dort sofort auffallen würden. Ausreichenden Schutz vor den kleinen Dieben , die ihre Beute in Steinritzen verstecken und am Abend unauffällig nach Hause tragen, bieten nur die Sicherheitsschlösser, von denen das Freibad West 6000 Stück auf Lager hat. Leider wird von ihnen nicht genügend Gebrauch gemacht.
Auch im Stadion- und Naturgartenbad häufen sich in den vergangenen Wochen die Diebstähle. Zahlreiche Besucher müssen dort ihren Leichtsinn teuer bezahlen: ihre Wertsachen, die sie für 50 Pfennig aufbewahren könnten, nehmen sie mit auf die Liegewiesen, wo sie entweder auffällig herumliegen oder notdürftig unter der Decke verschwinden. Für solche Sachen haben große und kleine Diebe einen guten Blick. Während die Schüler in der Nähe einen Raufhandel inszenieren, läßt sich einer plötzlich auf eine Brieftasche fallen oder breitet sein eigenes Handtuch über einen Geldbeutel aus. Mühelos tragen die Burschen dann einige hundert Mark davon.
„Mir steht nur eine Aufsicht für eine Wiesenfläche von 45.000 Quadratmetern zur Verfügung“, bedauert der Leiter des Stadionbades, Theo Kopp. Ebenso wie sein Kollege Rudolf Endres vom Naturgartenbad hat er schon wiederholt einige Buben gefaßt, aber die Polizei bekennt freimütig, daß nicht alle Diebstähle angezeigt werden und die Dunkelziffer sehr groß ist.
Die Kehrseite der Medaille ist zwar nicht kriminell, aber sie wirft doch ein bezeichnendes Licht auf die Gleichgültigkeit vieler Badegäste: sie glauben an einen Diebstahl, in Wirklichkeit verlieren sie massenweise Geldbörsen, Uhren, Handtücher und Kleidungsstücke. Im Freibad West sind bereits ganze Kisten mit Fundsachen gefüllt, für die sich kein Mensch mehr interessiert. An die Ehrlichkeit anderer denken die Besitzer wohl überhaupt nicht…
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