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3. Juli 1971: Neue Wasserpolizei paßt auf

3.7.2021, 07:00 Uhr
3. Juli 1971: Neue Wasserpolizei paßt auf

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Für sie sagt Oberfischereirat Dr. Christoph Maier: „Wenn bei dem Problem der Abwasserbeseitigung nicht endlich scharf durchgegriffen wird, ist über kurz oder lang die nächste Katastrophe fällig.“

Auch Regierungsdirektor Dr. Heinz Boie von der Regierung Ansbach befürchtet „übelriechende Zeiten“. Der Sommer stehe ja noch bevor. Aber schon im Frühjahr – Ende April, Anfang Mai – hatte Dr. Boie nach eigenen Worten „grausame Abwasserverhältnisse“ in den Flüssen feststellen müssen. Die in diesem Jahr schon registrierten Folgen:

1. Im Mai vollzog sich in der Regnitz ein unauffälliges Fischsterben. Die Regnitz unterhalb Nürnbergs gilt ohnehin als der am meisten verschmutzte Fluß Mittelfrankens. Selbst wenn etwa bis 1975 alle erforderlichen Kläranlagen fertiggestellt sein sollten: die Fische aus diesem Gewässer wird man nicht auf den Markt bringen können.

2. Großes Fischsterben in der Aisch.

3. Großes Fischsterben in der Wieseth, kurz vor der Mündung in die Altrnühl. Sieben bis zehn Zentner Fische schlagartig eingegangen, der ganze Fischbestand vernichtet.

Ein oder zwei niederschlagsfreie Monate genügen, um das Leben in den Flüssen auszulöschen. Der Wasserspiegel sinkt, aber aus den Städten und Gemeinden im Großraum Nürnberg wird unablässig Abwasser in die Flüsse geleitet. Oberfischereirat Dr. Maier: „Praktisch ist jedes Rinnsal in Mittelfranken (dem gewässerärmsten Bezirk Bayerns) schon verseucht.“

Es ist nur die Frage, wieviel Frischwasser und wieviel Abwasser zwischen den Ufern dahinfließt. Wenn es lange nicht regnet und der Wasserspiegel sinkt, wird das Verhältnis Frischwasser-Abwasser so verschoben, daß die Fische sterben müssen. Wenn zudem die Sonne heiß herunter brennt, gilt der Grundsatz: je wärmer das Wasser, desto weniger Sauerstoff, desto höher auch der Fäulnisprozeß.

Früher hatte man den Städten Nürnberg, Fürth und Erlangen die Hauptschuld an der Entwicklung geben können. (Die Angler haben sich damit abgefunden, daß die Regnitz zwischen Fürth und Erlangen fischereirechtlich wohl nie mehr oder sehr beschränkt nutzbar sein wird. Das sei der Preis von Industrie und Technik, die in einem Ballungsraum ja auch Arbeit für viele und guten Lebensstandard bedeuten.) Aber die Großstädte haben inzwischen in ihre Abwasseranlagen viel Geld investiert.

Die größten Gewässerverschmutzer sind zur Zeit die kleinen Gemeinden im Großraum, die durch eine rasante Siedlungstätigkeit gewachsen sind. Sie strampelten sich finanziell kräftig damit ab, die Straßen zu teeren und die Kanalisation anzulegen. Als es dann um die Abwasserfrage ging, so argwöhnt Dr. Maier, da waren die Gemeindekassen leer und die Behörden drückten ein Auge zu. Es gab keine oder nur schlecht funktionierende provisorische Abwasseranlagen.

Inzwischen sind Nürnberger Angler zur Selbsthilfe übergegangen. Im Fischereiverein Nürnberg e. V. fanden sich 25 Mitglieder zu einem Gewässerausschuß zusammen. Sie sind ausgebildet, selbständig Gewässerproben zu entnehmen und zu analysieren. Wo sie starke Verschmutzung in der Pegnitz feststellen, gehen sie deren Ursprung nach. Sie sind überzeugt, auf diese Weise große Gefahren für die Flüsse rechtzeitig erkennen zu können. Der Angler wird damit immer mehr zur Wasserpolizei, die jede Veränderung der Flüsse als erste feststellt.

Der Groll der Petrijünger ist verständlich. So erzählt ein passionierter Angler: „An der Altmühl sah ich einmal zentnerweise Fische an der Oberfläche schwimmen. Es waren Fische von einer Größe, die ich hier nie erwartet hätte, Hechte mit 20 Pfund zum Beispiel. Alle tot. Die Feuerwehr rückte heran und besprühte die Altmühl mit Wasserfontänen, um auf diese Weise Sauerstoff in den Fluß zu bringen.“ Diese Rettungsaktion – fast eine Tragikomödie – ist leider kein Anglerlatein.

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