30 Attacken pro Monat: Gewalt im Nürnberger Klinikum
19.8.2016, 06:00 Uhr"Jeden Monat registrieren wir etwa 30 Attacken gegen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", berichtet Prof. Günter Niklewski, Ärztlicher Direktor des Klinikums. Einige Beispiele: Da ist jemand im Empfangsgebäude mit einer Auskunft nicht zufrieden. Er packt den Computer und zerschmettert ihn am Boden. In einem Krankenzimmer werden Angehörige gebeten zu gehen, weil die Besuchszeit vorüber ist. "Hier wird gleich einer am Boden liegen", entgegnet der Patient. Er schnappt sich eine Tasse und will sie der Pflegekraft auf den Kopf schlagen. Der Mitpatient im Zimmer wird verbal bedroht. Mit vereinten Kräften kann verhindert werden, dass die Situation eskaliert.
In anderen Fällen schüttet jemand absichtlich heißen Tee auf eine Krankenpflegerin oder schlägt bei der Körperpflege unvermittelt zu. Pflegekräfte mit Migrationshintergrund müssen erleben, wie sie angespuckt, gezwickt oder geschlagen werden. Begründung: "Ich will nicht von einer Ausländerin gepflegt werden." Schon beinahe kurios der Ausraster eines anderen Patienten: Er biss aus Zorn ein Monitorkabel durch.
Eine Fragebogenaktion vor zwei Jahren hatte die Dimension des Problems deutlich gemacht: 70 Prozent der Klinikumsmitarbeiter gaben an, während ihres Berufslebens schon einmal Opfer von verbalen oder körperlichen Attacken geworden sind, 49 Prozent sogar in jüngster Zeit. Daraufhin wurde als erster Schritt nachts und am Wochenende ein privater Sicherheitsdienst für die große Intensivstation im Nordklinikum engagiert.
Dort werden auch Patienten versorgt, die sich bis zur Bewusstlosigkeit mit synthetischen Drogen wie Crystal Meth oder Kräutermischungen vollpumpen. Wenn sie aufwachen schlagen sie häufig völlig unvermittelt zu, weil sie sich - ohne Grund - bedroht fühlen.
Deeskalation erwünscht
Inzwischen ist auch noch ein Security-Mitarbeiter in der Notaufnahme des Südklinikums unterwegs. Sein Anblick besänftigt so manchen Streithahn, den Mitarbeitern gibt er zudem ein Gefühl der Sicherheit. Mit der Ausbildung von Deeskalationstrainern, entsprechenden Angeboten in der Fort- und Weiterbildung vermittelt das Klinikum den Beschäftigten außerdem, wie sie sich in brenzligen Situationen am besten verhalten.
"Wir sind beileibe kein Rabaukenkrankenhaus, solche Vorfälle gibt es an allen großen Krankenhäusern", meint Niklewski. Doch viele Kliniken scheuen sich aus Image-Gründen, offensiv damit umzugehen. Warum richtet sich so häufig Gewalt gegen Helfer? In den seltensten Fällen sind es Menschen, die krankheitsbedingt ausrasten. "Die allgemeine Verrohung in der Gesellschaft nimmt zu, da bleiben Krankenhäuser nicht außen vor", sagt der Ärztliche Direktor. Es genüge schon eine Kleinigkeit, und Patienten oder ihre Angehörigen reagieren nicht mehr angemessen.
Möglicherweise dreht die Security künftig rund um die Uhr ihre Runde übers Klinikumsgelände - wegen der hohen Kosten ist das allerdings noch keine beschlossene Sache. Auf Mauern, Metalldetektoren oder Eingangskontrollen, wie sie in New Yorker Krankenhäusern längst Routine sind, hofft das Klinikum verzichten zu können. "Wir möchten gerne ein offenes Haus bleiben", sagt Niklewsi.
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