54 Arbeitnehmer klagen: Winterdienst zahlt keinen Lohn
14.3.2017, 05:53 UhrAls sie eines morgens die Firma in der Erlenstraße aufsperren wollten, waren die Schlösser ausgetauscht. Das berichten Graf & Kittsteiner-Mitarbeiter, die trotz ausbleibender Löhne noch für Firmeinhaber Kurt Burian arbeiten. Viele, so heißt es, hätten sich wegen des psychischen Drucks krankschreiben lassen. Dass nun die Schlüssel nicht mehr passten, hat offenbar das Fass zum Überlaufen gebracht.
Bereits im Januar hatten sich zahlreiche Kunden über nicht erledigten Winterdienst, Mitarbeiter dagegen über die Zustände in der Firma beklagt. Die Kommune, vor deren Schulhäusern ebenfalls oft kein Schnee geräumt worden war, kündigte den Vertrag inzwischen. Die Steuerzahler, so Schulreferent Klemens Gsell in der Bürgerversammlung in St. Johannis, müssten für diesen Ausfall nicht bezahlen.
Firmenchef Kurt Burian dagegen sagt auf Anfrage, dass sich zehn Prozent seiner 150 Mann starken Belegschaft gegen ihn gestellt hätten. Sie hätten "wild gestreikt", Mitarbeiter seien von Kollegen aufgefordert worden, sich krankschreiben zu lassen und es sei geklaut worden. "Eine Minderheit" wolle "die Firma kaputt machen", so Burian. Deshalb habe er die Schlösser ausgetauscht: "Ich muss mich schützen." Den kommenden Winter werde er mit neuem Personal problemlos bewältigen.
Bei genauer Betrachtung sind es allerdings nicht zehn Prozent, sondern ein gutes Drittel der Belegschaft, das vor Gericht gezogen ist. Das ausbleibende Geld schlägt sich bislang in exakt 54 Lohnklagen beim Arbeitsgericht nieder. Es sei sehr ungewöhnlich, dass so viele Kläger aus ein und derselben Firma auf einmal kämen, kommentierte Gerichtssprecherin Alexandra Liebert die Versammlung vor dem Gerichtsgebäude in der Roonstraße.
Subtile Hackordnung
Wie in 16 bereits erledigten Graf & Kittsteiner-Verfahren auch, wird es für die 26 neuen Kläger bald einen Gütetermin geben. In zehn Fällen habe die Firma ihre Zahlungsverpflichtung anerkannt, so Justizsprecherin Liebert. Trotzdem sei kein Geld geflossen, heißt es im Kollegenkreis. Fünf weitere Klagen wurden zurückgezogen. Diesen Männern habe der Firmenchef versprochen, endlich zu zahlen, behaupten acht Winterdienstler im persönlichen Gespräch mit der Redaktion. Das Versprechen sei nicht eingelöst worden. Weiter erzählen sie von Drohungen, Schikanen und von einer subtilen internen Hackordnung.
Das Diensthandy werde als "elektronische Hundeleine" missbraucht, Mitarbeiter seien zu allen Tag- und Nachtzeiten in die Firma zitiert worden. Der Firmenchef bestreitet dies, wie auch einen weiteren Vorwurf: Eine Auszubildende musste angeblich in einem FKK-Club in Ziegelstein, der Kurt Burian gehört, Müll sortieren und durfte die Berufsschule nicht besuchen. "Absurd" nennt das ihr Arbeitgeber, der sich selbst als "ruhigen, gelassenen Chef" beschreibt.
Die Angst unter den Beschwerdeführern ist groß. Nachdem sie durchs Fenster auf dem Parkplatz gegenüber der Redaktionsgebäude ein Firmenauto von Graf & Kittsteiner entdecken, das ihnen angeblich schon seit geraumer Zeit folgt, ziehen sie es vor, die Redaktion durch den Hintereingang zu verlassen.
Da hätten loyale Angestellte eben wissen wollen, was die anderen gegen die Firma unternähmen, so erklärt Kurt Burian diese Aktion. Er selbst gilt bei den klagenden Mitarbeitern als unberechenbar. Ein Angestellter aktiviert auf seinem Smartphone eine Aufnahme, in der man einen Mann laut brüllen und drohen hört. Das sei der Chef, sagen alle acht.
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