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7. November 1971: Neue Theodor-Heuss-Brücke: Sang- und klanglos übergeben

7.11.2021, 07:00 Uhr
7. November 1971: Neue Theodor-Heuss-Brücke: Sang- und klanglos übergeben

© Ranke

Während die Stadträte noch so oder ähnlich im Geiste umformulierten, setzten sich die zwei Busse bereits in Bewegung. Auf gings zur traditionellen jährlichen Baustellenrundfahrt des Nürnberger Stadtrates.

Es wurde eine lange Reise. Vier Stunden währte die Kurverei durch die Stadt, wobei die engen Plätze in den Bussen für einige Zeit mit den breiteren Sitzbänken eines U-Bahnzuges vertauscht wurden. Es wurde auch eine interessante Fahrt: die Stadt baut trotz aller Finanznöte doch an einer ganzen Reihe größerer Projekte.

Das wird im nächsten Jahr anders sein, befürchtet Görl: dann steht vermutlich die Einweihung des Nürnberger Staatshafens im Mittelpunkt der Baustellenfahrt – und um diesen Mittelpunkt herum wird kaum soviel anzubieten sein wie heuer.

Immerhin: es bleibt die U-Bahn. Die zieht immer, auch wenn seit der letzten Informationsfahrt nur 100 Meter neuer Strecke dazugekommen sein sollten. Sie zog auch gestern, wenngleich mit allen Fehlern, mit denen eine neue Einrichtung meist behaftet ist.

So saugte die Klimaanlage den Staub der Bauarbeiten in unterirdischen Teilen der Strecke auf und vernebelte damit das Wageninnere; so funktionierten die vollautomatischen Türen noch nicht: sie mußten im Handbetrieb von außen geschlossen werden.

Feierlich wurde es dann am neuen Pegnitz-Übergang der Maximilianstraße: Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter gab die fast sechs Millionen Mark teure „Theodor-Heuss-Brücke“ für den Verkehr frei. Sie ist eine der Voraussetzungen für den Bau der Ringstraße.

Auf der Tagesordnung war eigentlich die Enthüllung des Gedenksteines am Brückenende vorgesehen. Aber der Sandsteinquader stand schon nackt und bloß da, als der Stadtrat eintraf. Auf frisch mit Teer vergossenem Pflaster wurde improvisiert: der Baureferent sprach einige Sätze, übergab das Wort dem OB, der den Kraftfahrern „allzeit gute Fahrt“ und der Stadt in den nächsten Jahren weitere neue Brücken wünschte (Görl: „Die nächste muß dann aber Willy-Brandt-Brücke heißen“) und wieder in den Bus kletterte.

Derweil rückte eine motorisierte Mannschaft des Baureferats mit weißem Band und Schere an. Zu spät. „Wir haben keine Zeit mehr“, entschied der OB. Am anderen Brückenende mußte der Bus dann doch wieder halten. Anlieger ließen es sich nicht nehmen, zwei Blumensträuße hereinzureichen, um so ihre Freude über den Abschluß der Brückenarbeiten auszudrücken. Diese Verzögerung der Fahrt wurde gern in Kauf genommen.

Es wurde weiter besichtigt. Kreuz und quer durch Nürnberg, schließlich zum Rhein-Main-Donau-Kanal und an ihm entlang bis zum Hafen. Vom Schuttberg warfen die Stadträte dann noch einen ausgiebigen Blick auf die Stadt, deren Gesicht sie kraft ihrer Beschlüsse gestalten.

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