Abriss von historischem Komplex: Was ist denkmalwürdig?
15.8.2019, 05:44 UhrLaut Frank Tkatzik von der KIBGruppe, der das ganze Anwesen gehört, sollen dort 200 Wohnungen in allen Spielarten errichtet werden. Der Baubeginn ist für das nächste Jahr geplant. Die Größe des Baukörpers soll sich nicht verändern, wohl aber die Gestaltung.
Zunächst wollte die KIB-Gruppe das Hochhaus erhalten, doch der Umbau wäre teurer gekommen als ein Neubau, so Tkatzik. Laut Siegfried Dengler, Leiter des Stadtplanungsamts, muss der Abriss eines Hauses von der Stadt nicht mehr genehmigt werden, es genügt, wenn man ihn anzeigt.
Die Planungen der Gebäude in der Hainstraße stammen ursprünglich von den Nürnberger Architekten Hans Müller und Karl Kröck. Stilistisch erinnert der Verwaltungsbau an das Bauhaus. Interessant ist vor allem die Eingangssituation: Der an sich schmucklose Treppenturm hat im Eingangsbereich ein fast monumentales Relief mit überlebensgroßen Arbeiterfiguren. Die Fenster des Turms sind über das Eck gezogen. Auffällig ist auch die fein gearbeitete Holztür.
Überprüfung fand statt
Im Netz wird der derzeit laufende Abbruch als "Kulturbarbarei und Baukunstfrevel" bezeichnet. Das Ensemble sei ein hervorragendes Beispiel für den Gestaltungswillen der Stilepoche der Neuen Sachlichkeit. Beim näheren Hinsehen erkenne man viele sorgfältig gestaltete Details wie die Fensterlaibungen und den geriffeltem Verputz, heißt es in der Netzgemeinde.
"Nachdem die Gebäude nicht unter Denkmalschutz stehen, sind wir bezüglich eines Erhalts oder Abbruchs auch nicht involviert", stellt Nikolaus Bencker, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, fest. Eine Überprüfung des Anwesens fand durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege im Jahr 2011 statt und es wurde negativ beurteilt. Der Originalzustand ist durch Umbauten und Aufstockung stark verändert. Die bauhistorischen Besonderheiten der Gebäude, die eine Denkmaleigenschaft begründen würden, stufte das Landesamt für Denkmalschutz als zu gering ein.
"Wer historische Fotoaufnahmen mit dem heutigen Anwesen vergleicht, der sieht recht deutlich, dass von dem Entwurf Müllers und Kröcks aus dem Jahr 1930 außer den Steinreliefs am ehemaligen Eingang kaum mehr etwas da ist", so Bencker. Das Hochhaus kam erst 1965 dazu. "Eine für die 1960er Jahre besondere und außergewöhnliche Gestaltung als Rechtfertigung für ein Denkmal ist hier leider auch nicht zu erkennen", so Bencker.
Die Einstufung, dass die Bauten kein Denkmal sind, sei ein Fehler, heißt bei den Mitgliedern der Facebookgruppe "Baukunst Nürnberg" Ende Juli: "Das Baurecht erweist sich einmal mehr als zahnloser Tiger, wenn es um den Erhalt schützenswerter Substanz unterhalb des ,Radars‘ des Denkmalschutzes geht." Die Gruppe fordert, dass bei der "Vernichtung von Kunstwerken im öffentlichen Raum auch öffentlich abgestimmt werden sollte".
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