Verzögerter Zeitplan

Explodierende Kosten, enormer Mehraufwand: Was tut sich hinterm Bauzaun am Doku-Zentrum

Verena Gerbeth

nordbayern.de

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18.6.2024, 09:49 Uhr
Das Doku-Zentrum im Mai 2024. Die Sanierungsmaßnahmen sind schon deutlich vorangeschritten. In etwa 1,5 Jahren soll die neue Dauerausstellung öffnen.

© veg Das Doku-Zentrum im Mai 2024. Die Sanierungsmaßnahmen sind schon deutlich vorangeschritten. In etwa 1,5 Jahren soll die neue Dauerausstellung öffnen.

Schon seit der erzwungenen Corona-Pause 2020 hat das Nürnberger Dokumentationszentrum ehemaliges Reichsparteitagsgelände seine Pforten geschlossen. Und das, wie mittlerweile feststeht, noch bis mindestens Ende 2025. Einladender, offener und transparenter will die Einrichtung im Südosten der Stadt nach der jahrelangen Sanierungsphase dastehen. Was dafür nötig war? "Massive und komplizierte Baumaßnahmen", weiß Stefanie Miltner, leitende Architektin des Projekts von Seiten des städtischen Hochbauamts.

Sie steht in dem ausgebauten Teil des Sockelgeschosses, welcher künftig unter anderem die Cafeteria beheimaten wird. Und in den mittlerweile Tageslicht dringt - denn für eine besonders markante Veränderung sorgen hier die bodentiefen Fenster zum Dutzendteich. Mit dem Gastronomiebereich will sich das Doku-Zentrum nach Außen öffnen und Neugier wecken - so der Wunsch der Verantwortlichen. Um auch für den Betrieb im Inneren genügend Platz zu schaffen, wurden gleich zu Beginn mehrere Wände durchbrochen, Stahlträger eingezogen. Die Spuren der Seilsäge, die durch die dicken Ziegelmauern schnitt, sind deutlich zu sehen.

"Es gilt, die Aufenthaltsqualität zu verbessern und eine freundliche Atmosphäre zu schaffen", sagt Kuratorin Martina Christmeier. Man wolle dem Publikum die Möglichkeit bieten, die Eindrücke aus der Ausstellung - die über das System und die Verbrechen der NS-Diktatur aufklärt - zu verarbeiten. Luftholen können die Besuchenden dann auch im neu gestalteten Innenhof.

Ein weiß getünchter Veranstaltungsraum für rund 200 Personen, in dem einmal Tagungen stattfinden werden, ist ebenfalls im Sockelgeschoss bereits fertiggestellt. Im Stockwerk darüber ist das Foyer deutlich ausgebaut worden. Die Büros der Mitarbeitenden befinden sich ringsum, direkt am zukünftigen Geschehen. Info- und Kassentresen, der Buchhandel entstehen hier, dahinter ein Pausenbereich für Schulklassen. Die interne Bibliothek für Mitarbeitende und Forschende wird gerade eingeräumt.

Ausweitung dringend erforderlich

300.000 Besucherinnen und Besucher zählt das Doku-Zentrum jährlich. Bei der Eröffnung 2001 hatte man mit einem Drittel gerechnet. Das preisgekrönte Konzept des 2012 verstorbenen Grazer Architekten Günther Domenig wurde in den letzten fast 20 Jahren ordentlich strapaziert. Das Wahrzeichen des Doku-Zentrums, die überdachte Eingangstreppe aus Glas und Stahl, die sich fortführend als eine Art Speer durch den Teil des Nazi-Bauwerks bis in den Innenhof bohrt, erwies sich an gut besuchten Wochenenden als Nadelöhr.

Mittlerweile befindet sich ein deutlich breiterer, ebenerdiger und ebenfalls gläserner Haupteingang neben dem ehemaligen Zugang. Der Entwurf Domenigs bleibe dennoch bestehen, die Treppe auch nach den Plänen des zuständigen Architekturbüros "Fritsch, Knodt, Klug und Partner" in Zukunft benutzbar, betont Stefanie Miltner. "Die Absprache mit Domenigs Projektbüro ist weiterhin eng", sagt sie. Auch in den neu erschlossenen Räumen werden vorherige Konzepte weitergeführt. Ganz nach Domenig hält der frisch gegossene Estrich einige Zentimeter Abstand zum Mauerwerk aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Explodierte Kosten, enormer Mehraufwand

Doch ausgerechnet dieser hochgelobte Entwurf des österreichischen Architekten machte in den vergangenen Jahren in mehrerlei Hinsicht Probleme. Neben den altersbedingten Mängeln kamen noch intensive Reparaturen hinzu. Die um 2001 eingebauten Glasflächen würden den Bauvorschriften nicht entsprechen, hieß es 2022 von Seiten des Bauamts. Im vergangenen Jahr mussten die Glasscheiben des markanten Studienforums auf dem Dach des Doku-Zentrums aus Sicherheitsgründen gewechselt werden. Hinzu kamen Verteuerungen im Baugewerbe und weitere Komplikationen während der Corona-Pandemie. Insgesamt stiegen die Kosten von den geplanten 16,8 Millionen auf 25,7 Millionen Euro an.

Der Bund hatte für die Maßnahme sieben Millionen Euro zugesagt, der Freistaat unterstützt weiterhin mit insgesamt vier Millionen. Der Anteil der Stadt Nürnberg summierte sich beträchtlich auf 14,7 Millionen Euro.

Die Komplikationen haben den Zeitplan ordentlich in die Länge gezogen. Die ursprünglich geplante Eröffnung für die Besucherinnen und Besucher im Herbst 2023 wurde erst auf 2024, mittlerweile auf Ende 2025 verschoben.

Neues Konzept der Dauerausstellung

Vor Ort ist von der neuen Dauerausstellung noch nichts zu sehen. Mit der gestalterischen Planung ist seit Dezember 2022 eine Arbeitsgemeinschaft aus drei Büros betraut. Inhaltlich gehe es bei der Neukonzeption nicht nur darum, den Wegfall von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aufzufangen, sagt Martina Christmeier. "Uns besuchen Menschen mit dem unterschiedlichsten Hintergrundwissen - vom Neuntklässler bis zur amerikanischen Touristin". Das heterogene Publikum soll gänzlich abgeholt werden. Für die neue Ausstellung werde ein didaktisches Konzept entstehen, das auch inklusive Stationen vorsieht.

Bis die neue Ausstellung Ende des kommenden Jahres öffnet, können sich Interessierte weiterhin in der Interimsausstellung "Nürnberg - Ort der Reichsparteitage" in einem der Sonderausstellungsräume über die Geschichte des Geländes ab 1918 bis heute informieren.