Als Nürnbergs Hauptsynagoge von den Nazis abgerissen wurde
10.8.2013, 13:40 UhrDer Bau störte in der Stadt, die zu jener Zeit gerne als „des Deutschen Reiches Schatzkästlein“ bezeichnet wurde, wegen seines „orientalischen Stils“. Außerdem war für September 1938 der – in der Rückschau letzte – Reichsparteitag in der Noris anberaumt.
Die Stadt übernahm mit der Zerstörung dieses Gotteshauses eine unrühmliche Vorreiterrolle innerhalb des „Dritten Reiches“: Drei Monate vor der sogenannten Reichskristallnacht am 8./9. November 1938 begann man „mit der erinnerungspolitischen Entfernung baulicher und ideeller Signaturen jüdischen Glaubens“, so Kulturreferentin Julia Lehner am Freitag bei der Gedenkveranstaltung in der Norishalle. „Beschämt und betroffen stellen wir uns heute diesem Teil der Nürnberger Stadtgeschichte, der nur ein Glied in der Kette des nationalsozialistischen Terrors gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger markiert.“
Nachdem die liberalen Nürnberger Juden seit 1874 am Hans-Sachs-Platz ein Gotteshaus besaßen, folgte die orthodoxe Adas-Israel-Gemeinde diesem Beispiel und errichtete in der Essenweinstraße eine Synagoge. Sie wurde 1902 errichtet und beim Pogrom am 8./9. November 1938 niedergebrannt.
Der Abriss der Hauptsynagoge zog sich bis zum 27. September 1938 hin, weil er wegen des Reichsparteitags mehrmals unterbrochen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb das Grundstück am Hans-Sachs-Platz zunächst ein Grünstreifen. Im Zuge des Wiederaufbaus der Innenstadt wurde an der Stelle später ein Wohnhaus hochgezogen.
Im August 1988, 50 Jahre nach der Zerstörung der Hauptsynagoge, ließ die Stadt Nürnberg gegenüber dem Hans-Sachs-Platz einen Gedenkstein mit Kupferplatte setzen. Weitere zehn Jahre später wurde der Pegnitzuferweg in „Leo-Katzenberger-Weg“ umbenannt.
Die Frage der Entschädigung der Israelitischen Gemeinde für den Synagogen-Abriss war laut Stadtarchivleiter Michael Diefenbacher „für Nürnberg entscheidend“. Ein finanzieller Ausgleich durch die Stadt sei im Jahr 1955 erfolgt.
Arno Hamburger, Vorsitzender der Israeltischen Kultusgemeinde Nürnberg, betont, dass die Israelitische Gemeinde nach 1945 nicht Rechtsnachfolgerin der Jüdischen Gemeinde vor dem Zweiten Weltkrieg gewesen sei. Daher habe sie städtischerseits „keine Kompensation“ erhalten“können; die Stadt habe aber das Grundstück erworben. Die eigentliche „Entschädigung“ sei durch die Jüdische Restitutionsnachfolger-Organisation erfolgt. Die hat ihren Sitz in New York und wurde 1948 von verschiedenen amerikanischen und internationalen jüdischen Vereinigungen gegründet.
Hamburger erzählt bei der Gedenkveranstaltung auch, dass er im Februar 1936 in der Hauptsynagoge seine „Bar Mitzwa“ (die jüdische Konfirmation) erlebt hat. Am 10. August 1938 beobachtete er von einem Versteck im Schuldturm aus, wie Nazischergen „sein“ Gotteshaus niederrissen: „Wie war wohl einem fünfzehnjährigen Judenjungen zumute, der dieses Geschehen in sich aufnahm?“ Damals überwog bei ihm die Angst, als Jude von den Nazis entdeckt zu werden. Heute sieht er in Nürnberg eine positive Entwicklung: „Die Israelitische Kultusgemeinde und ihre Vorsitzenden haben daran mitgewirkt, aus der Stadt der Reichsparteitage die Stadt der Menschenrechte zu machen.“
Bisher kaum bekannte Fotodokumente über Bau und Zerstörung der Nürnberger Hauptsynagoge sowie die Folgen des barbarischen Aktes wurden für eine Videopräsentation aufbereitet. Sie ergänzt die Ausstellung „Der Dank des Vaterlandes ist Euch gewiss!“ im Stadtarchiv, Marientorgraben 8. Öffnungszeiten: Mo., Mi., Do. 8.30–15.30 Uhr, Di. 8.30–18 Uhr, Fr. 8.30–16 Uhr (Eintritt frei).
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