Alt, grün, gut: Im Tramwagen 1023 steckt viel Arbeit
4.4.2019, 18:55 UhrFür ihn war es ein Traum, sagt Schwab. Er und seine Vereinskollegen investierten hunderte Stunden ehrenamtliche Arbeit. Am Beginn des Wiederaufbaus stand das verrostete Fahrgestell eines alten Nürnberger Tram-Wagens aus den 1920er Jahren – und viel Enthusiasmus. Den bringt auch Tobias Schneider mit. Er ist Vereinsmitglied und gleichzeitig bei der VAG für die historischen Wagen zuständig. Er koordiniert die Zusammenarbeit mit der Werkstatt der Städtischen Verkehrsbetriebe AG in Krakau, mit der man schon Jahrzehnte freundschaftlich verbunden ist. Dort finde man noch die technischen Möglichkeiten und das Wissen, solch einen alten Wagen wiederaufzubauen, erklärt er. Das sei in Nürnberg schon seit 50 Jahren nicht mehr möglich.
Nachgebaut nach alten Plänen und Fotos
Mehr als 30-mal ist er nach Krakau gefahren, um dort mit Werkleiter Jacek Kolodziej, dem Schreiner Krzysztof Stryszowski und deren Mitarbeitern über jede Schraube, jede Holzleiste, jede Halterung zu beraten. Nachgebaut wurde ein Beiwagen der MAN aus dem Jahr 1913, nach alten Plänen und Fotos. Stryszowski baute auf das Metallgestell – das in Polen mit 764 Nieten nach 100 Jahre alter Handwerkskunst restauriert wurde – den kompletten Holzaufbau des Wagens neu. Dafür verbrauchte er zwei Eichen. Die Sitzbänke sind aufgearbeitete Originale. „Als man die Wagen in den 1960er Jahren aus dem Betrieb nahm, verkaufte man die Sitze als Gartenstühle für zwei Euro das Stück“, erzählt Tobias Schneider. 2014 startete der Verein einen Aufruf, ob noch jemand so einen Stuhl hat, und tatsächlich stellten einige Leute ihre Stühle zur Verfügung.
Beim Thema Originaltreue führten die Initiatoren heftige Diskussionen, sagt Jacek Kolodziej. Denn historisch ist nicht gleich historisch. „Auf jedem Foto, das wir vom Innenraum hatten, waren andere Dinge zu sehen. Manches wurde während der Betriebszeit geändert.“ Man habe sich entschieden, viele Details zu übernehmen, aber in gewisser Weise etwas neues Altes geschaffen, das zwar ein Vorbild hat, aber dennoch einzigartig ist.
Als Trambahnfahren noch Luxus war
Es sind die Details, die den Wagen so besonders machen, die Haltegriffe aus Leder und Chrom, die Lampen, die Schilder, ein Aschenbecher, die Lüftungsanlagen, die Glocke, mit der der Schaffner dem Fahrer Zeichen gibt und Fahrgäste vorwarnt, vieles ist original. Die Schilder an den Sitzen wurden neu hergestellt, die Rollos mustergetreu neu gewebt, auch die Tapeten nachgedruckt. Wie sie einst aussahen, wusste man nur von einem ein Zentimeter breiten Streifen, der an einem Wagen aus dieser Zeit irgendwann unter einer Leiste entdeckt und archiviert worden war.
Mit dem Wiederaufbau, der mit 350.000 Euro von 643 Spendern finanziert wurde, hat der Verein eine zeitliche Lücke geschlossen. Denn bisher fehlte ein Ausstellungsfahrzeug aus der Zeit von 1903 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Damals war Tramfahren übrigens Luxus. Eine Fahrt kostete 10 bis 30 Pfennig, verdient hat ein Mitarbeiter bei MAN 1,20 Mark pro Tag.
Der Wagentyp 1023 war bei MAN ein Renner, der Hersteller exportierte ihn bis Kriegsbeginn in alle Welt, in Nürnberg fuhr er bis in die 1950er Jahre. Die Zusammenarbeit mit den Werkstätten in Krakau besteht seit vielen Jahrzehnten. Mehr als 100 Trambahnen wurden nach den Reichsparteitagen in den 1940er Jahren von Nürnberg nach Krakau und Kattowitz verkauft. 1977 kehrte einer dieser Zeppelin-Wagen ins Historische Depot nach Nürnberg zurück. Und nach 1989 erleichterten Tramwagen aus Nürnberg den Krakauern das Leben, zehn von ihnen fahren dort heute noch bei Historienfahrten.
Das Historische Straßenbahndepot öffnet am 6. und 7. April, von 10 bis 17.30 Uhr (Eintritt 6, Kinder bis 14 Jahre 3 Euro). Eine Entdeckertour beginnt am 7. April, 13.30 Uhr, im Museum. Rundfahrten auf der Burgringlinie 15 starten am 6./7. April stündlich von 9.55 bis 16.55 Uhr ab Museum sowie 10.30 und 16.30 ab Hauptbahnhof.
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