Schilder abmontiert, Rollos unten

Nach 75 Jahren: Hat sich Nürnbergs ältestes italienisches Restaurant aus dem Betrieb verabschiedet?

Andrea Munkert

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1.10.2024, 13:14 Uhr
Mitte Mai 2024 wirbt das älteste italienische Restaurant in Nürnberg noch mit seinem Biergarten und verweist auf geänderte Öffnungszeiten (links) - Ende September sieht die Fassade tagelang verlassen aus. Ist das "Peppino" nun Geschichte?

© Andrea Munkert Mitte Mai 2024 wirbt das älteste italienische Restaurant in Nürnberg noch mit seinem Biergarten und verweist auf geänderte Öffnungszeiten (links) - Ende September sieht die Fassade tagelang verlassen aus. Ist das "Peppino" nun Geschichte?

Ein wenig sieht die Fassade aus, wie es sich für dieses Eck in der Südstadt wohl anfühlt. Ein Hirsch am Platz war "Peppino", ein alteingesessenes italienisches Restaurant mit einer langen und rührenden Geschichte in und für Nürnberg. Über dem Rundbogenfenster am Maffeiplatz 16 (direkt an der gleichnamigen U-Bahn-Station) fehlen die eingepassten Schilder, die den Namen des kultigen Klassikers in ganz Nürnberg in großen Lettern verrieten. Auch die Leuchtreklame, die in die Straße hing, wirkt wie ausgetreten.

An der Eingangstüre sind die Informationen zu den Öffnungszeiten weggekratzt, auch Kontakte oder Hinweise sind weder im leeren Schaukasten noch an den Fenstern oder der Tür zu entdecken. Das Telefon klingelt - aber niemand antwortet. Auch auf Social Media ist keine Information zu entdecken. Laut Google-Angaben sollte "Peppino" am Freitag sowie Samstagmittag und -abend geöffnet haben, doch anstatt Licht und Betrieb findet man ein verlassenes Areal wieder. Kein Hinweis auf Urlaub oder Auszeit. Nichts. Auch am Sonntagmittag nicht.

Die Daten an der Tür des "Peppino" sind weggekratzt.

Die Daten an der Tür des "Peppino" sind weggekratzt. © Andrea Munkert

Eine Betriebs-Ära wie ein Menschenleben

Allen Anschein nach hat sich hier eine Institution aus dem Betrieb verabschiedet - und damit von seinen Gästen. "Peppino" am Maffeiplatz war das erste italienische Restaurant der Nürnberger Nachkriegszeit. Wie einem Bericht auf "nordbayern.de" aus dem Jahr 2011 zu entnehmen ist, eröffnete Guiseppe Bissola am 20. März 1949 am im Krieg völlig zerstörten Maffeiplatz die Gaststätte "Aldebaran", im einzigen stehengebliebenen Haus Nr. 16. Fünf Monate später taufte er das Lokal in seinen Rufnamen ’Peppino’ um, der über all die Jahre bestehen blieb.

Der 1920 bei Bergamo geborene Lombarde Bissola war um das Jahr 1940 als Fremdarbeiter in die Siemens-Schuckert-Werke nach Nürnberg gekommen. Sein Lokal lag günstig, denn "Peppino" konnte auf die nahe "SS-Kaserne" setzen, wo die US-Besatzungsmacht Quartier bezogen hatte – dem heutigen Z-Bau in der Frankenstraße 200.

1953 trat Mario Panetta die Nachfolge von Bissola an. Der damals 32-jährige Neapolitaner war mit der Tochter eines Schreinermeisters, Irmgard Zeilinger aus Eibach verheiratet, heißt es in dem Bericht von 2011 weiter. In seinem Ristorante trafen sich Italiener, Amerikaner, aber auch Deutsche zum Mittags- und Abendtisch. 1973 ging die Pizzeria an den gelernten Kellner Pierluigi Radina (*1945 in Arta Terme). Unter dem neuen Wirt erlebte die Gaststätte einen sagenhaften Aufschwung. Hier traf sich fortan die "Szene", eine illustre Gesellschaft vom Berufsschüler über den Studenten bis zur italophilen Upperclass.

Schlange stehen für einen Tisch

Zusammenrücken war angesagt im kleinen Gastraum, der Kampf um die wenigen Stühle gehörte zum Alltag, berichtet der Kollege vor 13 Jahren weiter. Schuld war die Küche: Serviert wurde echte und obendrein preiswerte Hausmannskost. Der Chef kochte selbst, die Suche nach einem qualitativ seinen Ansprüchen genügenden Ersatz blieb vergeblich. Seit 1994 führt die Familie Spiridigliozzi das nach wie vor sehr schlichte "italienische Spezialitäten-Restaurant" mit kaum veränderter Schwerpunktsetzung.

Als "Wohnzimmer" betitelte einst der damals maßgebliche Kneipenführer "Sekt und Selters" Nürnbergs ältestes italienisches Lokal am Maffeiplatz. 2013, so ergeben es die Archive von "nordbayern.de" hat Carlo Spiridigliozzi das Lokal von seinem Bruder übernommen. "Unser Essen kennen alle. Die Leute mögen es so und nicht anders", sagte der Wirt damals. Das Publikum, durchaus eher der gehobenen Schlemmerszene zuzuordnen, gibt dem damals 53-Jährigen sicher recht.

"Früher war das "Peppino" wirklich legendär. Man konnte dort bodenständige, sehr gute Küche mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis essen. Da die Gaststätte nicht sehr groß ist, wartete man oft am Eingangsbereich, damit einige Plätze frei wurden", schreibt eine Nutzerin im Jahr 2014 auf der Bewertungsplattform "yelp.de" Ähnliches. "Meistens saß man dann mit fremden Menschen an einem Tisch, was oft zu sehr witzigen oder/und interessanten Unterhaltungen geführt hatte. Die Gaststätte hatte ihren eigenen Charme. Mittlerweile scheint dem jetzigen Besitzer der Ruhm zu Kopf gestiegen zu sein. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist mittlerweile nicht mehr gut", urteilt sie weiter.

"Peppino" war und ist eine Institution in der Südstadt. War wie ein Felsen an diesem eher unattraktiven Platz in Nürnberg. 75 Jahre war es Teil der kulinarischen Stadtgesellschaft, wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit.

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