An die Grenzen der Belastbarkeit
13.11.2010, 07:00 Uhr„Es war grenzwertig“, sagt Heinz Prießmann, Chef des Unterstützungskommandos der Bepo. Er meint damit die Belastung für seine Leute. Morgens um drei Uhr Frühstück, dann bei Temperaturen um den Gefrierpunkt raus in die Dunkelheit, weil Castor-Gegner Schotter aus dem Gleisbett räumen wollten. „Wir mussten die Schienen freihalten.“ Ohne Gewalt ging es nicht immer. Vermummte hätten Knüppel geworfen und Reizgas gesprüht. „Wir mussten sie mit dem Schlagstock zurückdrängen, von den Gleisen wegtreiben.“
Ein Katz-und-Maus-Spiel. Den Castor-Gegnern gelang es, die Einheit von der Versorgung abzuschneiden. Kein Essen, nichts zu trinken. Die Kehrseite der Medaille: ein starkes Wir-Gefühl. „Wer noch etwas hatte, hat es mit den anderen geteilt.“
„Es war schon Anspannung da“, erzählt Daniel Funke aus Prießmanns Einheit. Die Gewaltszenen hielten sich am Ende glücklicherweise in Grenzen bei dem Rekord-Einsatz mit 18000 Polizisten. Mehr als 3000 standen unter dem Kommando von Gerhard Danzl, Chef der Bepo Nürnberg. Und das bei „dramatischen“ Arbeitsbedingungen. „Ich hatte kein Büro, nicht mal einen Stuhl.“ Für Danzl war es der dritte und bislang friedlichste Castor-Transport.
Sein Abschnitt war eine 14 Kilometer lange Straße inklusive Gebiet darum herum („Wirklich eine schöne Gegend“). Er hatte unter anderem Wasserwerfer dabei für den Fall der Fälle. Doch die monströsen Kolosse mussten stehenbleiben, als sich Traktoren entgegenstellten. „Das ist uns tausendmal passiert.“ Tolle Traktoren seien da übrigens zu sehen gewesen, schwärmt Danzl.
Bei friedlichen Demonstranten war das Gespräch die wichtigste Waffe. Danzls Mitarbeiter Norbert Egelseer werde demnächst wohl Ehrenbürger von Groß und Klein Gusborn, zwei Dörfer bei Dannenberg, scherzt der Bepo-Chef. Egelseer war tagelang dort im Einsatz. Er begegnete Gusbornern und Demonstranten mit Verständnis für die Polizei und solchen, die die Beamten als Handlanger der Politik beschimpften. Dabei dürften nicht wenige Polizisten inhaltlich auf der Seite der Atomkraftgegner stehen und das Gefühl haben, für fragwürdige politische Entscheidungen den Kopf hinhalten zu müssen. „Viele denken nicht nur ähnlich. Sie gehen selbst auf die Straße“, so ein Nürnberger Polizist.
Er verstehe die Demonstranten, sagt Prießmann. Man müsse sich nur mal vorstellen, der Castor rollte durch die Fränkische Schweiz. Der USK-Chef verhehlt auch nicht seine Sympathie für den kreativen Protest eines Greenpeace-Aktivisten, der friedlich mit dem Gleitschirm über dem Castor-Zug schwebte.
Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz. Obwohl die Kollegen einen harten Job hinter sich hätten, müssten die meisten am Wochenende schon wieder ran, kritisiert Personalrat Peter Dittmann (Deutsche Polizeigewerkschaft). Dabei hatte Innenminister Joachim Herrmann am Mittwoch im BR das Gegenteil behauptet. Diese Äußerung habe, vorsichtig formuliert, „Irritationen“ ausgelöst.
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