"Animal Hoarding": Wenn Tierliebe zur Krankheit wird
8.12.2016, 06:00 UhrDie Ursachen für das sogenannte "Animal Hoarding" liegen in der Kindheit, sagt Prof. Kneginja Richter (49), Oberärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum. Die Sucht, sich mit immer mehr Tieren zu umgeben, befalle vor allem Menschen, die als Kinder emotional schwer vernachlässigt, verlassen oder anders traumatisiert worden seien. Die Nähe zum Tier sei der Versuch, irgendwie Liebe und Nähe zu spüren - ein Verhalten, das manchmal völlig aus dem Ruder läuft.
Die Wohnungen, die Tierheim-Mitarbeiter und Hilfskräfte vorfinden, sind immer völlig verdreckt und vermüllt. 60 Schlangen und 200 Ratten wurden 2010 aus einer Gostenhofer Wohnung geholt, 34 verwahrloste Tiere 2012 aus einem 60-Quadratmeter-Apartment in der Südstadt. Besonders spektakulär war ein Fall vom Juli dieses Jahres. Die Leiche einer 78-Jährigen lag neben verwesenden Tierkadavern und Müll. 20 kranke Kaninchen kamen ins Tierheim.
Weil sie von Menschen womöglich verletzt oder erneut verlassen werden könnten, suchten die Betroffenen Ersatz und wendeten sich den Haustieren zu, so Oberärztin Richter: "Denn ein Tier tut so etwas nicht." Wobei die Grenze zur psychischen Störung dann überschritten sei, wenn ein Beteiligter leide. Beim Animal Hoarding seien das in aller Regel die nicht artgerecht gehaltenen, schlecht ernährten Tiere.
In ihrem Klinikalltag trifft die Medizinerin allerdings nur selten auf pathologische Tiersammler. Diese Menschen suchten von sich aus keine Hilfe, da sie ihr eigenes Verhalten nicht kontrollieren oder kritisch sehen könnten.
Wenn sie überhaupt in Behandlung kämen, dann nur unter größtem Leidensdruck und wegen ganz anderer psychischer Probleme. Normalerweise könnten auch Sozialpädagogen als Lotsen durch das Hilfesystem viel ausrichten und Kontakt zum Gesundheitsamt und anderen Institutionen knüpfen, ist die Oberärztin überzeugt.
Oft sind es alleinstehende Frauen
Auffallend häufig sind es alleinstehende Frauen, die in den mit Katzen, Hunden oder Ratten überfüllten Wohnungen leben. Wenn Frauen keine Kinder hätten, schafften sie sich gerne ein Tier als Ersatz an, um das sie sich liebevoll kümmern könnten, sagt Prof. Kneginja Richter. Wer dazu eine schlechte Kindheit erlebt und keine Zuwendung erfahren habe, sei eine potenzielle Tiersammlerin.
Was können Nachbarn tun, denen solche Zustände auffallen? Sie rate dringend, persönlich und offen mit den Menschen zu sprechen, sagt die Expertin. Das sei das Wichtigste. Leider verweigerten die Betroffenen häufig jedes Gespräch.
Das in der westlichen Welt häufige Zerreißen des familiären Netzwerkes, die Trennung von Eltern und Großeltern, treffe diese früh vernachlässigten und emotional bedürftigen Menschen besonders hart. Ihre innere Leere soll dann ein Tier füllen. Schlimmstenfalls 30, 50 oder 100 Tiere.
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