Aus fürs Nürnberger Irrhain-Fest

19.6.2008, 00:00 Uhr
Aus fürs Nürnberger Irrhain-Fest

© Eduard Weigert

Eine Entwicklung, die die einzige deutsche Sprach- und Literaturgesellschaft der Barockzeit, die seit 1644 ununterbrochen fortbesteht, um eine ihrer ältesten Traditionen beraubt. Schon seit 1676, als die Gesellschaft aus ihrem ursprünglichen Poetenwäldchen an der Weidenmühle vertrieben wurde, treffen sich ihre Mitglieder in dem romantischen Eichenwäldchen, das sie selbst anlegten und für das dem Blumenorden 1681 das «ewige Lehensrecht» verliehen wurde.

Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Schuld?

Umso schmerzhafter kommt nun das völlig unerwartete Aus für das jährliche Irrhain-Fest, das der Orden seither an jedem ersten Sonntag im Juli feiert. Schuld an der Situation sei die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der Europäischen Union, erläutert Förster Roland Blank vom Forstbetrieb Nürnberg. Weil das Wäldchen ein Biotop für den vom Aussterben bedrohten Eremit-Käfer ist, sei es rechtlich nicht mehr möglich, Totholz zu entfernen oder morsche Bäume verkehrssicher zu schneiden. Denn die braucht der bis zu vier Zentimeter große Käfer zum Überleben.

«Wir respektieren natürlich das Lehensrecht der Pegnesen», stellt Blank klar, «aber der Status als FFH-Gebiet schränkt die Nutzung ein.» Dadurch, dass das Totholz nicht mehr entfernt werden kann, sei das Risiko, durch herabfallende Äste oder umfallende Bäume verletzt zu werden, zu hoch für Versammlungen. Warnschilder sollen Spaziergänger, die den Irrhain weiterhin durchqueren können, auf die Gefahr hinweisen.

Orden «hinausgeschützt»?

Werner Kügel sieht den Blumenorden durch diese Praxis regelrecht «hinausgeschützt» aus seinem Irrhain. Denn auch ohne explizites Nutzungsverbot durch die Forstverwaltung sieht er unter diesen Bedingungen keine Möglichkeit, das Sommerfest dort weiter zu feiern. Eine Versicherung zu finden, die für eventuelle Gesundheitsschäden bei den Besuchern haftet, hält er für aussichtslos. Für den Fall, dass sich die Pegnesen selbst helfen und morsches Holz fällen oder schneiden, drohen bis zu 100 000 Euro Strafe.

«Wir verstehen uns selbst auch als Naturschützer», betont Kügel. Schließlich gebe es ohne den Blumenorden dort doch gar nichts Schützenswertes. Aber der Charakter des Irrhains als Natur- und Kulturdenkmal muss weiterhin erhalten und für alle erlebbar bleiben. Ein in seinen Augen einseitiges Schutzverständnis, das der Pegneser-Präses nicht nachvollziehen kann. Schließlich erstreckt sich das Biotop für den Eremit-Käfer weit nach Osten über die Grenzen des Irrhains hinaus und umfasst auch andere Gegenden des Reichswaldes.

Einschränkung rechtlich?

Das Ensemble im Irrhain, mit seinen teils aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Denkmälern, sieht Kügel durch die Schutzmaßnahmen dagegen langfristig dem Verfall preisgegeben. «Man kann doch das Einzigartige nicht zugunsten des Seltenen aufgeben», erbost er sich und will nun prüfen lassen, ob die «Einschränkung des verbrieften Lehensrechts des Blumenordens» rechtlich Bestand hat.

Obwohl Förster Roland Blank darauf hinweist, dass der Forstbetrieb Nürnberg zur Einhaltung der europäischen FFH-Richtlinie verpflichtet ist, hat Kügel die Hoffung nicht aufgeben, doch noch einen Kompromiss zu finden. Den Vorschlag Blanks, das Sommerfest der Pegnesen auf die Wolfsfelder Wiese zu verlegen, hat er jedoch dankend abgelehnt. Stattdessen will er mit seinen Mitgliedern am 6. Juli ab 14 Uhr auf einem Umgang durch den Irrhain «Flagge zeigen».