Bald zieht wieder Leben im Hotel Deutscher Hof ein

2.4.2016, 06:00 Uhr
Bald zieht wieder Leben im Hotel Deutscher Hof ein

© www.digitale-luftbilder.de/Oliver Acker

Als Hotel ist der Deutsche Hof fast jeder Nürnbergerin und jedem Nürnberger ein Begriff. Kaum jemand weiß aber, dass der Bau am Ring einst als Clubhaus der Nürnberger Lehrerinnen und Lehrer geplant war. Nur aus finanziellen Gründen und mit Widerwillen hatte der Bauherr, der Verein Lehrerheim Nürnberg, 1912 beschlossen, sein Heim um ein "Hospiz" für Reisende zu erweitern. Vielleicht gab man sich deshalb wenig Mühe bei der Namensfindung, trugen doch bereits Hunderte von Hotels im Deutschen Reich dieselbe Bezeichnung.

Die Aufgabe, der Kette aus Prachtbauten am Ring eine weitere Perle hinzuzufügen, oblag dem Nürnberger Architekten Hans Müller (1864 –1951). Zu seinen wichtigsten Werken zählen die Tucher-Brauerei an der Schillerstraße, die Hypobank an der Königstraße und das Karl-Bröger-Haus.

Ganz schön imposant: Der Deutsche Hof von innen.

Ganz schön imposant: Der Deutsche Hof von innen. © Sebastian Gulden

Wirtschaftlich stand das Hotel anfangs unter keinem guten Stern: Zwei unzuverlässige Pächter in Folge – der eine überfordert, der andere stets betrunken –, ein betrügerischer Buchhalter und bärbeißiges Personal wie die Kellnerin Paula vergällten dem Verein die Freude an seinem Haus.

Erst der dritte Pächter, ein gewisser Johannes Klein, brachte das Geschäft auf Erfolgskurs. Doch er holte durch seine politische Gesinnung auch jenen Mann ins Haus, der das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Hauses einläuten sollte: 1920 hielt sich Adolf Hitler zum ersten Mal im Deutschen Hof auf. Das Hotel sollte sein "Standquartier" werden, das er fortan bei jedem Aufenthalt in Nürnberg bezog.

"Führerbalkon" statt Erkerfenster

Ab 1933 war der Deutsche Hof Wegmarke der Reichsparteitage. Vom Erkerfenster seines Zimmers im ersten Stock aus nahm der Diktator am Morgen des zweiten Veranstaltungstages die Parade der Hitlerjugend ab. Es gehört zu den ironischen Details der Geschichte, dass Hitler seine militärisch-steife Geste direkt neben den frivolen Nackedeis vollführte, die Bildhauer Johannes Müller 1913 in die Fassade gemeißelt hatte.

Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, dass Hitler später auf den "Führerbalkon" auswich. Diesen fügte Hitlers Günstling Franz Ruff dem benachbarten "Siemenshaus" (später Arbeitsamt) an, das 1936 bis 1937 mit dem Deutschen Hof zu einem Großhotel vereinigt wurde. Dabei verschwanden auch die ästhetisch unliebsam gewordenen Portalvorbauten des Deutschen Hofes und seine Jugendstil-Figuren auf Nimmerwiedersehen.

Möglich waren diese Eingriffe, weil der Verein Lehrerheim den Deutschen Hof zuvor an die NSDAP verkauft hatte, und das – so behauptete Gauleiter Julius Streicher – "mit freudigem Herzen". Wie "freudig" diese Entscheidung tatsächlich war, lässt sich heute nicht mehr sagen. Immerhin, der Verein behielt auch nach dem Verkauf sein Nutzungsrecht: Selbst an den Parteitagen, als der Deutsche Hof für die Öffentlichkeit abgeriegelt war, gelangten die Nürnberger Lehrerinnen und Lehrer dank Sonderausweis ungehindert an den Wachen vorbei.

Standhaft während Bombardierungen

Als die Bomben auf Nürnberg fielen, war vom Pomp der Parteitage keine Spur mehr. Am 3. Oktober 1944 suchte der Krieg auch den Deutschen Hof heim: "Es war ein sonnenklarer Herbsttag", berichtet der Augenzeuge Fritz Nadler. "Am frühen Nachmittag heulten die Sirenen. Dann kamen die Bomber. Aus hundert Fenstern des 'Führerhotels' züngelten die Flammen. Eine teufelsschwarze Rauchsäule stieg zum wolkenlosen Himmel, von dem glutrot, wie mit Blut übergossen, der Sonnenball auf das Inferno herableuchtete."

Am 2. Januar 1945 folgte der nächste Schlag: Eine Sprengbombe riss an der Einmündung der Lessingstraße eine über alle Stockwerke klaffende Wunde in die Fassade. Und doch: Der Deutsche Hof blieb stehen. Bereits 1946 schickten sich die Lehrer an, ihn wiederaufzubauen. Obwohl die Nachkriegszeit mit der Architektur der Jahrhundertwende wenig anzufangen wusste und Baumaterial knapp war, gingen sie respektvoll mit dem geschundenen Gebäude um. Raum- und Geldnot forderten jedoch ihren Tribut. Seiner markanten Dachlandschaft beraubt, war der Deutsche Hof nur mehr ein Abglanz seiner einstigen Pracht.

Das Engagement der Lehrerschaft ist umso erstaunlicher, als sie sich um einen Bau kümmerten, der ihnen offiziell nicht mehr gehörte. Lange Zeit bemühten sie sich redlich, "ihren" Deutschen Hof vom Freistaat Bayern als Erben der NSDAP-Liegenschaften zurückzubekommen. 1948 konnte der Verein Lehrerheim immerhin das Hotel wiedereröffnen.

In den goldenen Zeiten wurden viele verschiedene Feiern, aber auch große Modenschauen im Deutschen Hof abgehalten.

In den goldenen Zeiten wurden viele verschiedene Feiern, aber auch große Modenschauen im Deutschen Hof abgehalten. © Kunstdruck Deyhle/Archiv Terraplan/Michael Matejka

Bei den Lessingsälen machte Schauspieler Karl Pschigode dem Verein einen Strich durch die Rechnung: Er hatte den vom Freistaat eingesetzten Treuhänder überredet, den Saalbau für sein "Lessingtheater" zur Verfügung zu stellen. Es sollte als Ersatz für das Opernhaus dienen, das die US Army bis 1951 für sich beanspruchte. In der ausgebrannten Hülle des Großen Saales schuf Architekt Hans Albert Wilhelm mit einfachen Mitteln einen Theatersaal mit Cocktailbar und Teestube. Dabei ließ er sich offensichtlich von der Neugestaltung des Opernhauses von 1935 anregen. So wurde das Lessingtheater das, was Pschigode sich erträumt hatte: Das Opernhaus en miniature. Als 1959 das Schauspielhaus eröffnete, fiel im Lessingtheater nach elf Jahren und über 200 Premieren der letzte Vorhang.

Goldene Zeiten als Veranstaltungsort

Nachdem sie 1959 auch den Saalbau zurückerworben hatten, erfüllten die Lehrer und Hotelier Heinz Rübsamen das alte Theater mit neuem Leben. Nach Umbau avancierte der Lessingsaal zu einem der beliebtesten Veranstaltungsorte der Stadt. Viele Nürnberger denken noch heute mit Wehmut zurück an ihren ersten Tanzkurs, an opulente Modenschauen und feucht-fröhliche Faschingsbälle unter Mottos wie "Im goldenen Westen", "La belle epoque" und "Insel der Glückseligen". Im Keller des Deutschen Hofes schuf Architekt Friedrich Feuerlein aus Gitterdraht, Gips, Sperrholz, Trockenblumen und alten Weinfässern 1976 ein Gesamtkunstwerk rustikaler Weinseligkeit – den stadtbekannten "Bocksbeutelkeller".

Wegen zu hoher Kosten musste der Verein Lehrerheim sein unter Denkmalschutz stehendes Clubhaus 1990 an die Maritim Hotelgesellschaft verkaufen, die es noch bis 2004 betrieb. In den darauf folgenden Jahren des Leerstandes wurden immer wieder Pläne laut, zumindest Teile des Anwesens abzureißen, nur um endlich wieder Leben in die verblasste Perle am Ring zu bringen.

Wohnanlage statt Lessingsäle

Unterdessen versank das ehrwürdige Haus in Taubenkot, der Bocksbeutelkeller schimmelte vor sich hin. 2012 erwarben Erik Roßnagel und sein Unternehmen Terraplan aus Nürnberg den Deutschen Hof. Der ehrgeizige Plan: Das Haus neu zu beleben und ihm seine städtebauliche Bedeutung zurückzugeben. Dies erschien umso wichtiger, als durch den Krieg und die Bauwut der folgenden Jahrzehnte viele der bedeutenden Bauten am Ring – etwa das Gebäude des Kulturvereins – vernichtet worden waren. Die Planung übernahmen Georg Hagen, Ralf Matuschek und Innenarchitekt Eugen Gehring. Giebel und Zwerchhaus wurden in moderner Interpretation wiederaufgebaut. Ein Wermutstropfen aber blieb: Weil die Planer keine Möglichkeit sahen, die Lessingsäle künftig sinnvoll zu nutzen und der Mangel an Parkflächen das Projekt gefährdet hätte, entschloss man sich zum Abbruch.

An Stelle der Lessingsäle entstand die Wohnanlage "Opernpalais", die Höhe und Dachform des Vorgängerbaus aufnimmt. Foyer und Treppenhaus mit Reliefs von Johannes Müller blieben erhalten und wurden behutsam restauriert. Als Erinnerung an das Lessingtheater wurde auch die 1948 errichtete Erweiterung des Treppenhauses mit seinem gewaltigen Messing-Kronleuchter bewahrt.

Im Frühjahr werden die Bauarbeiten abgeschlossen sein, das Gebäude fortan Büroräume beherbergen. Eine öffentlich zugängliche Dauerausstellung mit historischen Fotos und Fundstücken in der ehemaligen Hotelhalle am Frauentorgraben erinnert künftig an die vergangenen 113 bewegten Jahre des Deutschen Hofes, die hellen und die dunklen Zeiten gleichermaßen.

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