Bauprojekt: Was eine Fledermaus mit Hausbau zu tun hat
18.11.2020, 07:01 UhrBevor auf einer Baustelle das Erdreich für den Keller weggeschaufelt wird, werfen Archäologen einen gründlichen Blick in den Untergrund, so will es das Denkmalschutzgesetz von 1973. Schließlich sollen Spuren der Vergangenheit soweit möglich auf für die Zukunft bewahrt werden. Gerade an einem so geschichtsträchtigen Ort wie Nürnberg.
Haus ohne Keller ist Ok
"Es gibt keine Ausgrabungspflicht, Ziel ist vielmehr, möglichst wenig zu graben, denn jede Grabung zerstört den Befund", erklärt Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich. Man kann also auch ein Haus ohne Keller bauen und den Untergrund unberührt lassen. "Das ist Ok, das machen auch Leute", merkt Ulrich an.
Aber natürlich nicht jeder. Pro Jahr gibt es 80 bis 100 archäologische Sondierungen im Stadtgebiet. Ein gutes Drittel entfällt auf den Leitungsbau für Gas, Wasser, Strom und Telekommunikation, dazu kommen noch einige Straßenbaustellen. Doch der größere Rest umfasst Areale für Wohnungsbau - wie etwa aktuell im Knoblauchsland.
Archäologische Spuren
Beim klassischen Ein-Familien-Haus in der Peripherie entstehen Kosten zwischen 700 und einigen Tausend Euro, berichtet Stadtarchäologe John Zeitler: "Die Untersuchungen dauern hier zwischen einem Tag und drei Wochen." Wer allerdings ein Mehr-Familienhaus im Kerngebiet plant, ist mit einigen Tausend Euro bis zu einem "niedrigen sechsstelligen Betrag" dabei. Entscheidend ist die Lage: In der Altstadt stoßen die Fachleute mit Sicherheit auf deutlich mehr archäologische Spuren als in Herpersdorf oder Brunn. Zeitler rät, sich frühzeitig mit seiner Behörde abzustimmen, um Verzögerungen zu vermeiden.
Besonders heftig hat es die Industrie- und Handelskammer beim Um- und Neubau ihrer Zentrale am Rathaus erwischt: Es dauerte wegen der archäologischen Funde anderthalb Jahre länger, Mieten für die Ersatzbüros und steigende Baukosten kamen dazu: Insgesamt waren es 5,7 Millionen Euro für Archäologie und Folgekosten, seufzt IHK-Pressesprecher Kurt Hesse.
Doch auch ohne Tonscherben und uralte Knochen kann ein Bauprojekt auf Probleme stoßen, mit denen man nicht gerechnet hat - Stichwort: Natur- und Artenschutz. Wer Grünflächen zerstört, muss für Ausgleich sorgen, dieser Grundsatz gilt seit den 1990er Jahren. Typisch sind beispielsweise die Ausgleichsgrundstücke der Stadt in den Gründlachauen.
Bäume fällen nur im Winterhalbjahr
Im vergangenen Jahr war die Untere Naturschutzbehörde Nürnbergs an rund 900 Baugenehmigungsverfahren beteiligt, berichtet Umweltamts-Chef Klaus Köppel. Als eiserner Grundsatz gilt, den Schutz der Vogelbrutzeit von Anfang März bis Ende September einzuhalten: Das Fällen von Bäumen ist nur im Winterhalbjahr gestattet. Für abgesägte Exemplare muss man Ersatz pflanzen.
Doch was macht man mit Reptilien, Vögeln, Fledermäusen und Insekten, die in Baumhöhlen nisten oder im Gestrüpp sicheren Unterschlupf haben? Für geschützte Arten muss ein neuer Lebensraum erschlossen werden.
Eidechsen eingefangen
So sind Zauneidechsen auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs (also des künftigen Viertels "Lichtenreuth") eingefangen und in einem Wald bei Schwarzenbruck ausgesetzt worden. Dort sollen sich Waldarbeiter darum kümmern, dass sandige Flächen nicht mit Gebüsch zuwuchern.
Für die neue Konzerthalle im Luitpoldhain - die nun (vorerst) doch nicht entsteht - wurde dem Stadtrat im Sommer eine Liste mit Artenschutz-Maßnahmen vorgelegt. Darin ist detailliert festgehalten, was bei einem Großprojekt wie diesem alles beachtet werden muss. Neben dem Baumfällen im Winter und Ersatzpflanzungen wäre auch das Verschließen von Nischen an der Meistersingerhalle vorgesehen gewesen. Künstliche Nisthöhlen sollten erhalten bleiben. Es wurden bereits als Ersatz 24 Fledermaus- und Vogelhäuschen sowie ein Waldkauz-Kasten am nahe gelegenen Silberbuck aufgehängt.
Nach Abbruch: Material sauber trennen
Die Architekten mussten weiterhin plausible Konzepte vorlegen, wie sie verhindern wollen, dass Vögel gegen die Glasfassade des neuen Konzerthauses prallen. Außerdem soll möglichst vermieden werden, dass künstliches Licht nachtaktive Insekten anzieht. Doch die Überlegungen sind hinfällig, nachdem die Stadt gestern den Bau des Musiktempels auf unbestimmte Zeit verschoben hat.
Ein weiterer Kostenfaktor, mit dem Hausbauer rechnen müssen, ist der Abbruch eines Vorgängerbaus. Hier kann man nicht mehr wie in früheren Zeiten alles einfach abräumen lassen. Mauern, Türen, Holztreppen, Fenster und anderes werden säuberlich getrennt und entsorgt. Das kann teuer werden, wenn asbestbelastete Platten auftauchen, die auf die Sondermüll-Deponie gebracht werden müssen.
Bodenpreis als Kostentreiber
Übrigens trifft dieses Thema auch den Erdaushub, denn: Die Böden sind kaum mehr unbelastet, meint Baureferent Ulrich und erinnert an die Pachelbelschule in der Gartenstadt: "Da war so viel Kupfer im bis dahin reinen Acker - wegen des Düngers, dass der Boden deponiert werden musste."
Alle vorbereitenden Arbeiten kosten Geld, doch der hauptamtliche Stadtrat Ulrich ordnet ein: "Ökologischer Anspruch und der Rest machen Bauen ein wenig teurer, aber der gigantische Anteil liegt im Bodenpreis." Man könne für 3000 Euro pro Quadratmeter gut bauen, doch bezahlt werde je nach Ort das 1,5 bis Dreifache. "Der wesentliche Kostentreiber ist also der ,Markt', weil er in fast allen Städten nicht funktioniert."
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