Busfahrer beklagt belastende Zustände bei der VAG
16.11.2019, 17:21 UhrMühl wundert es nicht, dass das Verkehrsunternehmen derzeit händeringend nach Busfahrern sucht und zuletzt sogar zahlreiche Fahrten mangels Personal ausgefallen sind. Einen Bus durch die Stadt zu lenken, macht ihm noch immer viel Spaß. Doch die Liste seiner Kritikpunkte ist lang – von kräftezehrenden Schichtdiensten über mangelnde Flexibilität bis hin zur deutlich schlechteren Bezahlung als früher.
"Viele Kollegen schauen aus wie Leichen", beklagt Mühl. Sie hangelten sich nur noch von Schicht zu Schicht. Als junger Mensch könne man das eine Weile mitmachen, ab 40 werde es deutlich schwerer. Etwa dann, wenn man bis Mitternacht Dienst hat und nur zehn Stunden später erneut hinters Steuer muss. Zu Hause angekommen, gelingt es Mühl so gut wie nie, sofort einzuschlafen. Das aber wäre nötig, um erholt in den nächsten Arbeitstag zu starten.
Ein weiteres Ärgernis: Einen Tag kurzfristig freizunehmen, ist nahezu unmöglich. Vom seinem Plan, drei Tage zu arbeiten und vier frei zu haben, ist der Teilzeitler heute meilenweit entfernt. Langfristig gedacht wird dagegen beim Thema Urlaub. Sechs bis acht Jahre im Voraus, erklärt VAG-Betriebsrat Heinz Gehrke (Name von der Redaktion geändert), wissen die derzeit 500 VAG-Busfahrer, wann sie Urlaub haben werden. In der Regel liegt ein Zeitfenster in den Ferien und eines in einer unbeliebten, weil nicht klassischen Reisezeit. Darüber würden allerdings alle Fahrer informiert, bevor sie bei der VAG anfingen, erklärt Gehrke.
Äußerst unbeliebt, aber längst gängige Praxis, sind geteilte Schichten. So kann es sein, dass ein Busfahrer von fünf bis neun Uhr morgens im Einsatz ist und erst nach sechs Stunden Pause noch einmal von 15 bis 19 Uhr ranmuss. Und das nicht nur einmal, sondern oft mehrfach pro Woche, wie Mühl erläutert. Glück hat, wer in der Nähe wohnt und einen Sprung nach Hause kann. Das sind jedoch die wenigsten.
Einsparungen mit Folgen
Die geteilten Schichten sind laut Gehrke eine Folge der Einsparungen, die die VAG als Tochter der Städtischen Werke seit Jahren vornimmt. Neben atmosphärischen Störungen innerhalb des Unternehmens beklagt Paul deshalb auch, dass Busfahrer mit Blick auf ihre große Verantwortung zu schlecht bezahlt würden.
Früher galten für VAG-Busfahrer Tarife, die auch die Kommunen angewandt haben. Die Tarifverträge gerieten allerdings massiv unter Druck, wie Kai Winkler, Leiter des Fachbereichs Verkehr bei ver.di Bayern, erklärt – sei es wegen der Privatisierungen, der Liberalisierung des Vergaberechts, der Fremdvergabe oder auch der Tarifflucht.
Heute werden die VAG-Busfahrer nach dem Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N) bezahlt – und erhalten deutlich weniger Lohn. Busfahrer in Nürnberg, Fürth und Erlangen verdienen laut Winkler zwischen 2524,41 Euro und 2948,68 Euro im Monat. Hinzu kommen Zulagen und Zuschläge etwa durch Nachtarbeit.
Tatsächlich hat sich die Belastung in den vergangenen Jahren drastisch erhöht, wie Kai Winkler vorrechnet: Bundesweit sind die Fahrgastzahlen in Bus, U- und Straßenbahn zwischen 1998 und 2018 um knapp 1,7 Milliarden gestiegen. Die Anzahl der Beschäftigten ist im gleichen Zeitraum um knapp 28 000 gesunken.
Auch der Umgangston hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft, wie Busfahrer immer wieder berichten. Ein Dankeschön bekommen sie höchst selten zu hören, manche Fahrgäste lassen jeden Respekt vermissen oder werden sogar aggressiv und übergriffig.
Mit durchschnittlich 33,2 Fehltagen im Jahr führten die Bus- und Straßenbahnfahrer laut dem Gesundheitsreport der Barmer Ersatzkasse im Jahr 2017 die Liste der Berufe mit den meisten Fehltagen an.
Abfeiern kaum möglich
Sauer stoßen Busfahrer Paul Mühl, der sich von seinen Vorgesetzten immer wieder schlecht behandelt fühlt, auch seine zahlreichen Überstunden auf. Er könnte sie sich ausbezahlen lassen, möchte sie aber lieber abfeiern. Doch das ist in vielen Fällen kaum möglich, wie auch Betriebsrat Gehrke einräumt.
Der Mangel an Busfahrern war laut Mühl und Gehrke schon lange absehbar. "In jeder Tarifrunde warnen wir vor der Entwicklung, dass die Fahrer ausbleiben, nicht nur bei der VAG", erklärt auch Gewerkschafter Kai Winkler. Betriebsrat Gehrke glaubt, dass die Verantwortlichen davon überrascht wurden, wie schnell sich die Entwicklung bei den beauftragten Subunternehmen bemerkbar machte. Dennoch ist Gehrke vorsichtig optimistisch: "Die VAG ist aufgewacht." Die Verantwortlichen wüssten, dass sie etwas tun und Geld in die Hand nehmen müssten.
Laut Gewerkschafter Winkler braucht es "wesentliche Verbesserungen" bei den Arbeitsbedingungen. Er fordert Einkommenserhöhungen, aber auch tarifvertragliche Regelungen, um die Angestellten zu entlasten.
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