Cocktails statt Parkplätze: Nürnbergs bemerkenswerte Gastro-Renaissance
10.8.2020, 05:27 UhrSie hat zwar an lauen Abenden noch nicht den mediterranen Charme wie der autofreie Weinmarkt im Burgviertel, allerdings geben sich die vielen Gastronomen in der Inneren Laufer Gasse alle Mühe, die Meile in der Sebalder Altstadt lebenswerter zu gestalten. Sie rüsten auf, haben Stühle und Tische vor ihre Lokale gestellt und Sonnenschirme aufgespannt. Überall in der Stadt kapern Wirte Parkbuchten oder andere Flächen im öffentlichen Raum: Bisher gingen insgesamt 225 Anträge von Gastronomen beim Liegenschaftsamt ein, mit der Bitte, Außenbestuhlung oder eine Erweiterung dieser zu genehmigen.
Die Antragstellung verlief "unkompliziert". Auf diesen Nenner lässt sich das Urteil nach einer Umfrage unter Betreibern bringen. In der Inneren Laufer Gasse fielen der Eroberung von öffentlichem Raum vor allem Parkplätze zum Opfer. Vier Stück hat die Bar Europa besetzt. 20 Plätze hat das Lokal durch die Sondernutzung dazu gewonnen.
"Es wäre schön, wenn das so bleiben könnte", sagt Barkeeper Franz Schmidauer. Bars seien mit die ersten Lokale gewesen, die wegen der Corona-Pandemie schließen mussten. Die Cocktail-Bar öffnet am Wochenende um 18 Uhr und schließt nach Mitternacht. Tische und Stühle bleiben aber dauerhaft auf den Parkstreifen stehen, um Autos fernzuhalten. Dass manche Parkplatzsuchende mit der Erweiterung der Bar nicht zufrieden sind, hat Schmidauer selbst erlebt: "Es gibt Zeitgenossen, die schieben unser Inventar einfach ein Stück auf die Seite, so dass ihr Wagen in die Lücke passt. Das geht natürlich gar nicht."
Cocktails geliefert
In der Zeit, als die Ausgangsbeschränkungen galten, blieben die Einnahmen wie bei allen Gastronomen erst einmal aus. Um die Verluste etwas abzufedern, bot die Bar Europa einen Catering-Service an – Cocktails gab's auf Bestellung in alle Satdtteile. "Bis Fürth-Hardhöhe lieferten wir aus."
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Um ein wenig Grün zwischen dem sonnenerhitzten Asphalt der Gasse und den erwärmten Fassaden der Häuserzeile zu schaffen, haben die Wirte bepflanzte Tröge oder Kübel zur Auflockerung an Sitzgruppen gestellt. Im Außenbereich der "Bar & Café Ludwigs" sitzen die Gäste auf Paletten, die zu Sesseln umfunktioniert wurden. Aus den Trennwänden, ebenfalls aus Paletten-Holz gebastelt, wuchern Büschel von Salbei, Basilikum und Petersilie. "Die Möbel hat unser Chef eigenhändig hergestellt. Auch die Bepflanzung hat er in liebevoller Kleinstarbeit erledigt", erzählt Monique Haber, Servicekraft im Ludwigs. Zusätzlich 40 Plätze verteilt auf drei Parkplätze hat das Lokal gewonnen, nachdem grünes Licht vom Liegenschaftsamt gekommen war.
Über 220 Anträge bei der Stadt
Auf der anderen Straßenseite zog das griechische Restaurant "Delphi" nach. Unter knallroten Schirmen schlemmen hier Gäste Tzatziki, Souvlaki und Bifteki. Ein Zaun trennt sie von der Straße, auf der Linienbusse, Autos und Radler vorbeifahren. Wie viele Parkplätze er belegt hat, kann Inhaber Giannikis Vangelis nicht sagen. Nur die Länge ist ihm bekannt: rund 20 Meter. "Es ist kein idealer Garten, aber besser als nichts", sagt er.
Seine Gäste aber nähmen die Außenbestuhlung positiver auf, als er gedacht hätte. Seit 41 Jahren gibt es das Restaurant an dieser Stelle. Es ist das erste Mal, dass die Stadt dem Betreiber eine Außenbestuhlung genehmigt hat. "Da musste erst Corona kommen." In zurückliegenden Jahren habe der Betrieb zwei Mal einen Antrag gestellt – und stets einen Korb bekommen.
"Das gilt rückwirkend für das gesamte Jahr"
Der größte Teil der Anträge wird durchgewunken, heißt es im Liegenschaftsamt. Über 225 sind es bis dato. Rund sechs Prozent wurden abgelehnt. Die Genehmigungen können auch kurzfristig wieder kassiert werden, erklärt Amts-Chef Claus Fleischmann. Dann, wenn etwa Feuerwehr oder Rettungsdienste Bedenken äußern, weil Rettungswege verbaut sind. Stand heute wurden in Nürnberg mehr als 100 Parkplätze zugunsten der Gastronomie geopfert.
Das Verfahren um die Anträge hat die Stadt beschleunigt, um Existenzen in der Gastronomie nicht unnötig zu gefährden. In diesem Sinne verzichtet die Stadt für die Sondernutzung auch vollständig auf Gebühren. "Das gilt rückwirkend für das gesamte Jahr 2020", sagt Behörden-Leiter Fleischmann. Die Frist für die zusätzliche Außenbestuhlung gilt bis 30. September. Fleischmann: "Es könnte aber sein, dass wir bis Ende November verlängern."
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