CSU-Parteitag: Balleis und Seehofer uneinig über Stromtrassen
15.12.2014, 06:00 UhrAls die Kanzlerin am Freitag in ihrer Rede beim Nürnberger CSU-Parteitag auf das Thema Stromtrassen zu sprechen kam, feierte Siegfried Balleis einen ersten kleinen Triumph. Denn Angela Merkel schärfte den Delegierten ein, dass die Energiewende ohne den Bau neuer Stromtrassen nicht gelingen werde. "Da habe ich natürlich applaudiert", erzählt Balleis zufrieden und erwähnt mit süffisanten Worten, dass sein Parteichef Horst Seehofer, drei Meter vor ihm sitzend, etwas indigniert nach hinten geblickt habe.
Nun hat Balleis den jeweiligen Vorsitzenden seiner Partei auch in der Vergangenheit nur maßvoll gefürchtet, doch seit er nicht mehr Oberbürgermeister in Erlangen ist, nimmt er sich noch mehr Freiheit, das zu vertreten, was er für richtig hält. Und dazu gehört: die Energiewende.
Ohne neue Leitungen, die den Strom aus erneuerbaren Energien vom Norden nach Bayern transportieren, kann die Energiewende nicht gelingen, davon ist Balleis überzeugt. Doch Seehofer, der einst selbst den Bau solcher Stromtrassen für nötig erachtet hatte, spürte den zunehmenden Gegenwind aus der Bevölkerung, etwa im Osten von Nürnberg, wo eine der Trassen verlaufen soll, und verkündete quasi ein Stromtrassen-Moratorium. Sehr zum Ärger von Energiewende-Befürwortern wie etwa Siegfried Balleis.
So gehörte der Erlanger Ex-OB zu den Initiatoren von Anträgen an den CSU-Parteitag, mit denen die Partei aufgefordert wurde, die Energiewende weiter voranzutreiben und "Akzeptanzprobleme nicht schicksalhaft hinzunehmen". Zur Diskussion über die Anträge kam es dann aber nicht.
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ließ die Antragsdiskussion abbrechen, was nicht wenige Delegierte verprellte, etwa auch aus der Frauen-Union, die zum Beispiel die Abgabe von kostenlosen Verhütungsmitteln an bedürftige junge Frauen vorgeschlagen hatte. Scheuer begründete dies mit Zeitdruck und vertröstete alle nicht zum Zuge gekommenen Antragsteller auf unbestimmte Zeit; doch Balleis wird hart bleiben und er weiß, dass er dafür auch Widerstand erntet.
Als seine Anträge im Vorfeld des Parteitags publik wurden, hatte er viele wütend formulierte Emails erhalten; und dann flugs sein Moderatorenamt in einer Arbeitsgruppe beim "Energiedialog Bayern" niedergelegt. Nicht aus verletzter Eitelkeit, sondern um den Energiedialog nicht zu gefährden, wie er sagte.
Seehofer selbst hatte auf die Merkel‘sche Mahnung übrigens geantwortet: "Liebe Angela, wir sind uns darin einig: So, wie es geplant war, wird es nicht kommen." Was für Siegfried Balleis mitnichten bedeutet, dass Seehofer den Bau von neuen Stromtrassen gänzlich ausschloss, sondern sich ein Hintertürchen offen lässt. Ein zweiter Triumph für Balleis, auch wenn Seehofer tags darauf deutlich machte, dass die Stromtrassen "sicher nicht zum Markenkern der CSU gehören". Die sogenannte "Wechselstromtrasse" von Thüringen nach Oberfranken ist notwendig, so Seehofer und betonte: "Das ist nicht die, von der die Kanzlerin gesprochen hat."
In der Summe, sagt Seehofer, könnten durch Windräder in Deutschland nur 40 Prozent des Strombedarfs gedeckt worden. Die restlichen 60 Prozent müssten aus grundlastfähigen Kraftwerken kommen. Wie, das sei nach dem Jahr 2022, wenn das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden soll, die "Gretchenfrage". Und dabei "müssen wir zuallererst an bayerische Interessen denken".