Das Pfarrerbüro, in dem das Kreuz einfach nicht halten will
6.11.2020, 17:14 UhrÜber der Tür sind Klebestreifen-Reste zu sehen. „Da war mal ein Kreuz dran“, sagt der Pfarrer der Jugendkirche Lux hinter dem Nordostbahnhof und schaut sich in dem Büro um. Dann findet er das kleine kunterbunte Kreuz, nimmt es in die Hand, streckt sich hoch, versucht es wieder an die Wand zu kleben, „das ist aber immer wieder runter gefallen.“ Auch heute will das Kruzifix nicht so richtig halten. Auf dem Türrahmen bleibt es auch nicht lehnen. Weiter wild ist das nicht. „Da vorne ist ja ein großes Kreuz“, sagt Amberg und zeigt durch die Bürotür auf den Kirchenraum. Und überhaupt: Ein Gebäude wird ja nicht dadurch zur Kirche, weil in jedem Raum ein Kreuz hängt.
„Wir sind ein Ort der vielen Möglichkeiten“, beschreibt der 33-Jährige das, worum es bei Lux eigentlich geht. „Hier darf man auch sein, sich engagieren und einbringen, wenn man sich selbst gar nicht aktiv als Christ bezeichnen würde.“ Es geht um Gemeinschaft, ums Entwickeln von Talenten... Und ums Zuhören. Oder einfach nur darum, dass jemand da ist. Etwa dann, wenn während des Lockdowns Uni-Vorlesungen nur online stattfinden und das Wlan daheim nicht richtig funktioniert. Oder weil man gerade eine Ausbildung abgeschlossen hat, bedingt durch die Pandemie nun aber arbeitslos ist. Vielleicht aber flüchtet man auch vor seinem Mitbewohner oder vor Konflikten mit den Eltern. „So ab 14 Uhr nachmittags sitzen die jungen Leute dann hier“, sagt Amberg und zeigt auf das kleine braune Sofa hinter seinem Schreibtisch.
Digitaler Kontakt ersetzt nicht alles
Klar: Kontakt zur Kirche hat gerade die junge Klientel auch während des strengsten Lockdowns halten können. Zoom, Whatsapp, Insta, Facebook, Facetime – das beherrschten schon vorher alle aus dem effeff. „Und trotzdem war es für mich das Schlimmste, als ich ihnen hier die Tür vor der Nase zusperren musste.“ Lux ist für viele schließlich die zweite Heimat – und die erlebt man lieber analog statt digital. Abtrünnig geworden sind die jungen Leute aber nicht. Der harte Kern – etwa 60 bis 80 Menschen, die sich vor Corona schon mehrmals die Woche engagierten – ist geblieben. Und auch wenn die großen Veranstaltungen und Konzerte derzeit ausfallen – immer wieder kommen Neulinge zu den Gottesdiensten.
Ob es da um Corona geht? „Das kann ja keiner mehr hören“, sagt Amberg und winkt ab. Freilich, zu Beginn der Krise habe man im Gottesdienst darüber gesprochen, über Kraft, Liebe und Besonnenheit. Im Moment aber gehe es etwa um K-Pop, also koreanische Popmusik, die bei der Jugend derzeit total im Trend ist – und die Parallelen zum Glauben. Oder aber man erschließt gemeinsam einen Bibeltext, gestaltet Gottesdienste mit dem Schwerpunkt Musik...
Büro mit Discokugel
Und wenn das gelingt, dann zündet man gern auch eine Konfetti-Kanone. Eine liegt hinter dem Sofa im Büro schon bereit. Wird sie losgelassen, landen überall goldene Fitzelchen. „Wir schenken uns die auch gegenseitig“, sagt Amberg. „Ich feier Dich“ – ein Ausdruck, der nicht nur von der Jugend oft gebraucht wird, sondern der auch zur Kirche passt. Kein Wunder, dass Amberg auch schon Konfetti bekommen hat. Ein kleines Gläschen voll steht auf einem Regal über seinem Schreibtisch. Dort baumelt auch eine kleine Discokugel – ein Geschenk zur Ordination.
Disco in der Kirche? Oder gar eine Kirche in cool? Darauf will Amberg seine Lux nicht reduzieren lassen. „Natürlich spielen wir mit dem Bild von der Kirche, das viele Leute haben“, sagt er, „und natürlich erschüttern wir es.“ So ganz anders als andere Kirchengemeinden ist die Lux dann aber doch nicht. „Die Gemeinschaft auf der Spur nach Gott“ – das sei es doch, was alle Gemeinden miteinander verbindet. Und da darf es dann auch einmal lustig zugehen – etwa, wenn dem Pfarrer der Rollcontainer unter dem Schreibtisch mit Kabelbindern verschlossen wird. Oder man den Lichtsensor der Computermaus abklebt. „Es wäre ja schade, wenn alle Kirchengemeinden in Nürnberg sonntags um 10
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