Der IQ der Deutschen fällt
20.6.2006, 00:00 UhrEine kleine Denkaufgabe: «Opa Fritz dreht aus den Stumpen dreier Zigaretten eine neue Zigarette. Als ich Opa besuchte, hatte er neun Zigaretten vorrätig. Wieviel Zigaretten kann Opa Fritz also rauchen?“ — Mit solchen Aufgaben kann man den Intelligenzquotienten ermitteln, aber Vorsicht: Nachdenken! (Auflösung am Ende des Artikels).
Wie ist es mit der Bildung hier zu Lande bestellt? Erst einmal braucht Bildung ein Ausgangsniveau, und das markiert der Intelligenzquotient. «Der war bei uns kontinuierlich im Steigen begriffen. Doch heute liegen wir mit 99 erstmals unter dem Level von England“, stellt der Psychologe Siegfried Lehrl fest. Zur Orientierung: Ein IQ von 70 gilt als debil, bei 60 liegt die Grenze der Überlebensfähigkeit. 100 sind bei vielen Messskalen normal, 115 Studentenniveau, und bei 130 setzt die Hochbegabung an.
Der Intelligenzquotient ist zum Teil Vererbungssache, zu einem gerüttelt Maß kann man viel daran arbeiten oder verderben. Wenn eine Schwangere raucht und Alkohol trinkt, verschafft sie ihrem Kind keine gute Ausgangsbasis. «Unsere Urgroßväter dürften durchschnittlich im Grenzbereich zum Schwachsinn gelebt haben, wegen der schlechten Ernährung und ziemlich routinierter Berufe“, stellt Lehrl fest.
Wer faulenzt, der wird dümmer
Nun aber unterscheidet der Psychologe zwischen fluider und kristallisierter Intelligenz. Der kristallisierte IQ ist das gespeicherte Wissen, der fluide IQ hingegen ist die Fähigkeit, neue Aufgaben ohne Rückgriff auf zuvor Gelerntes zu meistern.
Sowohl Unter- als auch Überforderung verderben die Intelligenz. Wer im Urlaub nur faulenzt, verdummt ebenso, wie der wochenlang umsorgte Patient, aber auch wie der Crack, der stundenlang sich am Computer medialer Reizüberflutung ergibt. Und was hebt die Intelligenz? Lehrl zählt auf: Ein kräftiges Frühstück, sieben kleine Mahlzeiten und mindestens zwei Liter Flüssigkeit pro Tag, sowie viel Schlaf, ausgewogene Arbeitszeiten und Ruhepausen; kein Alkohol, kein Nikotin. Die goldenen Regeln unserer Vorfahren also. Aber die lebten doch angeblich am Rande der Debilität?
Der Intelligenzquotient nimmt nicht zu, sondern ab
Angeblich nimmt der durchschnittliche Intelligenzquotient bundesweit alle zehn Jahre um drei Punkte zu. Doch Alexander Liebel und Kerstin Ruder, Leiter der Städtischen Berufsschule 4 (einer kaufmännischen Schule), haben in den vergangenen 16 Jahren andere Beobachtungen gemacht: Die jungen Frauen verhalten sich immer selbstbewusster, die heranwachsenden Männer hingegen immer zögerlicher. Stimmt die familiäre Förderung, schwingen sich gerade Mädchen zu Höchstleistungen auf; als Vorbild dient etwa Angela Merkel.
Einerseits ermöglichen die Neuen Medien grenzenlosen Verkehr und Zugang; andererseits tragen die selben Medien zur Verkümmerung des Sprachschatzes bei, das Abfassen eines Briefes wird zum echten Hindernis. «Wir hören nicht mehr zu, weil wir unmittelbar antworten“, beobachtet Alexander Liebel. «Und wir denken nicht mehr nach. Bei langen Textaufgaben reagieren die Schüler auf zwei Begriffe und glauben, sie hätten die Lösung. Dabei führt ein Nebensatz aber in eine ganz andere Richtung.“
Und hier die Auflösung: Opa Fritz raucht 13 Zigaretten! Nämlich neun Zigaretten, drei Stumpenzigaretten und eine Stumpstumpenzigarette. Hatten Sie auf Drei getippt? Wir auch. Aber wir sind nicht blöd. Bloß Nichtraucher! Reinhard Kalb
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