Der Nürnberger Silbersee ist immer noch giftig
15.8.2018, 12:22 UhrDie todbringende Gefahr kommt lautlos. In den tieferen Schichten des Gewässers lauert Schwefelwasserstoff. Bringt man die Schichten durcheinander - etwa, weil man im See schwimmt - steigt er auf. Atmen Schwimmer den Stoff ein, werden sie bewusstlos und ertrinken. An einigen Stellen warnen Schilder. Der Totenkopf zeigt eindeutig: Hier ist es gefährlich. Und dennoch: Abgesperrt ist der See nicht.
An manchen Stellen kann man sogar ganz bequem über die Wiese zum Wasser laufen. Von einem dieser Plätze aus sieht man auch den kleinen Badesteg auf der anderen Seite des Wassers. Ein Schild jedoch sieht man hier nicht. Eines mit Hinweisen in verschiedenen Sprachen sucht man um den ganzen See vergeblich - und das, obwohl es dort vermutlich sehr lange stehen könnte. Ungiftig wird der Silbersee schließlich in den nächsten 1000 Jahren kaum werden.
"Ich bin nicht glücklich mit der Situation", sagt Otto Heimbucher. Er ist nicht nur Vorsitzender der Kreisgruppe Nürnberg des Bund Naturschutzes und sitzt für die CSU im Stadtrat. Heimbucher ist auch Geologe. "Möchte man den Bereich unschädlich machen, müsste man inklusive des Silberbucks sechs Millionen Kubikmeter abtragen", sagt er. Damit stelle sich gleich die nächste Frage: wohin damit? Und: Wer soll das bezahlen? "Eine Sanierung würde locker 500 Millionen Euro kosten", sagt er. Zum Vergleich: Ein ähnlicher Betrag ist für den Ausbau des Frankenschnellwegs im Gespräch.
Natürlich hat man seitens der Stadt schon versucht, das Areal mit milderen Eingriffen zu entgiften. So wurde etwa über Lanzen Sauerstoff in tiefere Wasserschichten eingebracht, der Silbersee dadurch entlüftet. "Das ging eine Zeit lang gut", sagt Heimbucher. "Dann aber ist der Schwefelwasserstoffgehalt doch wieder gestiegen." Ob man den Seegrund nicht vielleicht abdichten könnte? "Das ist eine unebene Baugrube", sagt Heimbucher. "Wie soll man da etwas verankern?" Außerdem: Für eine solche Maßnahme müsse man auch den Grundwasserspiegel absenken. "Das wäre Irrsinn", so der Geologe.
Überhaupt: Wo wäre der Nutzen solcher Eingriffe? "Man müsste ein Biotop zerstören, damit ein neues ohne giftige Stoffe entstehen kann", sagt Klaus Köppel vom Umweltamt der Stadt. Natürlich überwache man das Grundwasser und werde auch tätig, sollte eine Gefährdung auftreten. Aber das Biotop, das am Silbersee entstanden ist, will man auch behalten. "Hier leben Vögel, Reptilien, Amphibien, Grünfrösche, Grasfrösche und Bergmolche", sagt Heimbucher. Auch Fische gibt es im Silbersee. "Die haben sich mit den Verhältnissen arrangiert", sagt er, "sie schwimmen in höher gelegenen Wasserschichten." Essen würde er sie trotzdem lieber nicht. "Ich gehe davon aus, dass sie belastet sind", sagt Heimbucher.
Dennoch wurden in den vergangenen Wochen nach Angaben von SÖR rund 70 Wasservögel tot aus dem See gezogen. Der Grund für das Vogelsterben ist jedoch nicht der Schwefelwasserstoff, sondern Botulismus (auch Fleischvergiftung genannt). Gerade im Sommer ist dieses Phänomen nicht ungewöhnlich. In der Hitze bilden sich in Faulschlammbereichen nahe des Ufers diese Bakterien massenhaft, die dann von den Tieren gefressen werden. Auch in den letzten Jahren sind deswegen immer wieder Tiere in dem See verendet.
Kratzende und stechende Büsche als ideale Absperrung
Was sich Heimbucher für den See wünschen würde? "Eine bessere Ausschilderung", sagt er. Die Schilder müssten sauber sein - derzeit sind die meisten von ihnen beschmiert oder mit Aufklebern beklebt. Außerdem müssten sie direkt am Wasser stehen, nicht - wie einige - ein paar Meter weiter mitten im Grünen.
Ebenso erwünscht: mehrsprachige Schilder, die ganz genau erklären, warum der Silbersee so gefährlich ist. "Früher sind ja vor allem amerikanische Soldaten hier ertrunken", sagt Heimbucher. Junge Männer eben, die von der Gefahr entweder nichts wussten oder sich für stark genug hielten, um diese ignorieren zu können. Schwefelwasserstoff jedoch ist tödlich - egal wie fit man ist. Ebenso gewünscht: eine bessere Absperrung. Stellen, an denen man derzeit noch bequem ans Wasser kommt, könne man mit stechenden Büschen und Brennnesseln absichern. "Man muss es den Menschen so schwer wie möglich machen, ans Wasser zu gelangen", sagt Heimbucher. Der angenehme Nebeneffekt: "Tiere würden sich hier dann noch wohler fühlen."
18 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen