Neue Podcast-Folge

Der Sumpf um getötete Alexandra R. aus Nürnberg: Warum eskalierte der Streit mit ihrem Ex-Partner?

Ulrike Löw

E-Mail zur Autorenseite

Tobi Lang

Redakteur

E-Mail zur Autorenseite

30.8.2024, 05:00 Uhr
Rechts ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Alexandra R. und ihr Ex-Partner Nermin A. bei einem gemeinsamen Urlaub auf Mallorca. Links Szenen aus dem Mordprozess um den ehemaligen Lebensgefährten, der die Nürnbergerin nach Überzeugung des Landgerichts getötet hat.

© News5, privat Rechts ein Bild aus glücklicheren Zeiten: Alexandra R. und ihr Ex-Partner Nermin A. bei einem gemeinsamen Urlaub auf Mallorca. Links Szenen aus dem Mordprozess um den ehemaligen Lebensgefährten, der die Nürnbergerin nach Überzeugung des Landgerichts getötet hat.

Am Abend des 9. Dezember steht Markus Beyer (Name geändert) auf der Schwabacher Polizeiwache und ist kurz vor der Verzweiflung. Der Lebensgefährte von Alexandra R., so sagt er es, wusste sofort, dass der damals 39-Jährigen etwas angetan wurde. "Ich habe laut geschrien, dass sie gar nicht wissen, womit sie es hier zu tun haben." Seine Partnerin und werdende Mutter des gemeinsamen Kindes sei in einen Sumpf geraten, an dessen Spitze der ehemalige Freund Nermin A. stand. Er skizziert einen Blender, der unglaubliche Geschichten von fantastischem Vermögen auftischt, dem seine Opfer scheinbar alles glauben. Und einen Mann, der notorisch betrügt und lügt.

"Ihr Ex hat Mist gebaut, mit seinen ganzen dubiosen Firmen, den ganzen Machenschaften", sagt Beyer. Er sollte recht behalten - sowohl mit seinem Verdacht, dass Alexandra R. entführt wurde. Als auch damit, dass ein besonders undurchsichtiges Firmengeflecht eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielt.

Der Mord an Alexandra R. ist auch ein Wirtschaftsfall

Der Mord an Alexandra R. beschäftigte relativ früh auch Wirtschaftsermittler. In der bis zu 25-köpfigen Sonderkommission, die das Verschwinden der Nürnbergerin aufklären sollte, saßen Experten für Finanzdelikte, um das komplizierte Firmenkonstrukt der inzwischen verurteilten Täter auszuleuchten. Die Ermittler standen vor unzähligen Briefkastenfirmen, 27 Immobilien - ein Sumpf, mit Nermin A. an der Spitze. Und mit Adem B., einem Geschäftspartner, als Scheingeschäftsführer.

Doch wie konnte der Streit zwischen Alexandra R. und ihrem Ex-Partner derart eskalieren, dass er nun für ihren Mord verurteilt wurde? Chat-Nachrichten, die unserer Redaktion vorliegen, skizzieren das Bild einer von Beginn an dysfunktionalen Beziehung. Zwischen Bekundungen der ewigen Liebe und hasserfüllten Streits liegen oft nur Stunden. Alexandra R. spürt, dass Nermin A. sie ausnimmt, sie und ihre privilegierte Stellung als leitende Postbank-Angestellte nur benutzt, um an Kredite zu bekommen. Doch die damals junge Frau hält an der Beziehung fest.

"Wenn man das durchgezogen hätte, hätte es super funktioniert"

Das Geschäftsmodell funktioniert so: Alexandra R. und ihr Ex-Partner kaufen Wohnungen, um sie zu sanieren und zu vermieten, manchmal auch mit Gewinn zu verkaufen. Jürgen Meelich hat geholfen, die Immobilien zu finanzieren - und er hat in den Sumpf hineingeblickt. "Das waren alles kleinere Eigentumswohnungen", sagt der Experte. Tatsächlich wurden dabei auch Überschüsse erzielt. "Wenn man das System so durchgezogen hätte, hätte es wahrscheinlich super funktioniert." Nur Nermin A. hätte sich nicht um die geplanten Sanierungen gekümmert und damit Mieter vor den Kopf gestoßen.

Es kommt zum Bruch. Immer wieder stritten sich Alexandra R. und Nermin A. über Geld, der Mann soll sich vom Konto der Nürnbergerin bedient, teilweise Einnahmen unterschlagen haben. Deshalb schnitt die Frau den Zugang ab, änderte die Daten für ihr Online-Banking - und spätestens hier eskaliert der Streit. Denn: Nermin A. soll mit Gewalt reagieren, Alexandra R. auch körperlich attackiert haben. Sie flüchtete ins Frauenhaus und erwirkte ein Kontaktverbot gegen ihren Ex-Partner. Hier trennt sich auch die Geschäftsbeziehung der beiden.

Alexandra R. gehörten die 27 Immobilien auf dem Papier, sie hatte nahezu alle Verträge geschlossen. Die Nürnbergerin steckt tief fest im Sumpf. "Sie wollte damit nie was zu tun haben", sagt Beyer, ihr Partner, der am 9. Dezember sowohl Frau als auch Kind verlor. "Sie war Gesellschafterin, aber von den Firmen, da wusste sie nicht, was da passiert." Naiv und blauäugig sei sie gewesen, habe Nermin A. "dummerweise vertraut". Ihre Verbindung zu dem Mann bezahlte die damals 39-Jährige mit dem Leben, davon ist zumindest das Landgericht Nürnberg-Fürth überzeugt, das den 51-Jährigen gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Adem B. des Mordes schuldig sprach. Auch, wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Wie die Nürnbergerin versucht, sich freizukämpfen und Nermin A. sowie dessen Firmen wirtschaftlich den Krieg erklärt, hören Sie in der neuesten Folge des Podcasts "Das Verschwinden von Alexandra R. - eine abgründe-Recherche".

Warum wir die Namen der Täter ändern

Auch Straftäter haben ein Recht auf Vergessen. Mit der Verurteilung beginnt für Nermin A. und Adem B. ein Resozialisierungsprozess, der sie - theoretisch - wieder in die Gesellschaft integrierbar machen soll. Über Monate nannte unser Medienhaus die abgekürzten Klarnamen der Verdächtigen, nun verfremden wir sie. Alexandra R.s Namen verwenden wir weiterhin, denn: Nach der Frau läuft eine aktive Öffentlichkeitssuche der Polizei, trotz des Mordurteils. Ihre Leiche bleibt auch nach mehr als eineinhalb Jahren ihres letzten Lebenszeichens verschwunden.

Alle Streaming Links auf einen Blick

Was passierte am Tag des Verschwindens? Wer war Alexandra R.? Welches Motiv hatten die Täter? In unserem Podcast erzählen wir die ganze Geschichte des mysteriösen Nürnberger Mordfalls.
Das Verschwinden von Alexandra R. auf Spotify
Das Verschwinden von Alexandra R. bei Apple Podcast
Das Verschwinden von Alexandra R. auf YouTube

Keine Kommentare