Der Traum von Grün statt Parkplätzen
20.9.2019, 20:19 UhrAuch in Nürnberg wurde gestern für die Re-Urbanisierung der Städte geworben. Impressionen von zwei Orten, wo Parkplätze eine andere Nutzung erfuhren.
Irritierte Blicke gibt es vor allem von den Autofahrern, aber auch die Passanten staunen nicht schlecht. Denn dort, wo in Gostenhof vor der Norma an der Ecke Obere Kanalstraße/Austraße normalerweise kostenfreie Parkplätze zugeparkt sind, liegt ein Rollrasen aus. Die SPD Gostenhof hat es sich dort gemütlich gemacht. Sofa, Stehtisch und Sonnenschirm sind aufgebaut.
Wer mag, kann sich dazusetzen, ein wenig plaudern und ein "Brehmium Bier" genießen, welches nach dem OB-Kandidaten Thorsten Brehm benannt ist. Abgerundet wird die Szenerie durch Blumen und Topfpflanzen. Die Sozialdemokraten wollen mit ihrer Aktion für mehr Grünflächen in der Stadt werben. Denn davon gibt es nach Ansicht des stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden Paul Kaltenegger "viel zu wenige in den zentralen Vierteln".
"Viele Menschen, die in Gostenhof leben, haben keinen Garten oder Balkon, die sind auf öffentliche Plätze angewiesen", sagt er, "man hat das Gefühl, der öffentliche Raum ist nur am Verkehr orientiert und nicht an den Menschen." Stadtratskandidatin Barbara Münzel pflichtet ihm bei: "Die Leute würden auch gerne mal in der Sonne einen Kaffee trinken."
Dass die provisorische Grünanlage zu einer dauerhaften wird, hätten die Gostenhofer Sozis gern. Früher befand sich hier eine Bushaltestelle. Seitdem die Linie verändert wurde, ist sie durch Parkplätze ersetzt worden – beziehungsweise zu einer "Dauergarage" geworden, wie Münzel sagt. Eine Woche lang hätten dort die gleichen drei Pkw gestanden. Die Autos sollen nun dauerhaft weichen. Stadträtin Yasemin Yilmaz möchte per Antrag erreichen, dass auf den Stellplätzen Bäume gepflanzt und Parkbänke aufgestellt werden.
"Die Parkplätze sind ohnehin nicht notwendig, da der Norma-Parkplatz groß genug ist", findet Dionisa Vlachou, die Gostenhofer SPD-Ortsvereinsvorsitzende. Eine Parkbank, die auf der anderen Straßenseite aufgestellt wurde, werde viel genutzt. "Das zeigt, dass der Bedarf groß ist", findet Vlachou. Eine ältere Frau zeigt sich jedenfalls begeistert von der Aktion. "Wenn es nach mir geht, können die den Rollrasen gleich liegen lassen", sagt sie.
Auch Jassim Bibani, Chef des anliegenden Dönerladens, fände es schön, wenn die Autos weichen würden: "Es wäre toll, wenn draußen Platz für Tische und Stühle wäre, dann könnten meine Kunden draußen essen." Claudia Dabidek sieht das Vorhaben eher kritisch. "In Nürnberg herrscht eh schon eine riesige Parkplatznot, da macht es keinen Sinn, noch welche wegzunehmen", meint die Verkäuferin der angrenzenden Bäckerei Goldjunge. Mit der Villa Leon habe man doch um die Ecke eine gute Möglichkeit, seine Freizeit zu verbringen.
Sonst so trist und grau
Szenenwechsel. Auch am Friedrich-Ebert-Platz in der Nordstadt werden Parkplätze umfunktioniert. Im Vordergrund stehen eine andere Platznutzung ebenso wie der ökologische Gedanke. Gewählt hat man die Kulisse ganz bewusst: Trist und grau sei der Friedrich-Ebert-Platz, der erst vor wenigen Jahren im Zuge des U-Bahnbaus umgestaltet wurde.
Grund genug für die rund 50 Beteiligten, die Parkbuchten mit Blumenkästen und Rasenflächen zu schmücken. Etwa zwölf Quadratmeter ist ein gewöhnlicher Parkplatz groß. Diese Fläche könne man viel sinnvoller nutzen, findet die Aktionsgemeinschaft, die hier flickenteppichartig versammelt ist: Darauf würde ein ganzes Kinderzimmer im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus passen. Stattdessen belegen die mit den Jahren immer größer werdenden Autos diesen wertvollen Raum.
Bernd Baudler vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), der seit 2014 an wechselnden Orten beim "Parking Day" mitmacht, spricht von "verschwendetem Potenzial". Er verweist darauf, dass in einem Auto mit einer Größe von zehn Quadratmetern und einem Gewicht von zwei Tonnen, im Schnitt 1,2 Personen fahren. Das sei "unverhältnismäßig". Und dass Pkw die meiste Zeit am Tag ungenutzt herumstehen, stößt den Teilnehmern der Aktion unangenehm auf.
Die Vereine BluePingu, BauLust und Geschichte für Alle, die Fahrradclubs ADFC und Radfairkehr, das Afrikuco-Institut, die Grüne Jugend und auch die Initiative "Lebenswertes St. Johannis" sind vertreten. Als bessere Alternative zum Privatwagen plädieren sie fürs "Carsharing". Auch der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel gilt als gute Möglichkeit, um die Zahl der Autos in den Städten zu senken. "Am ökologischsten ist aber immer noch das Fahrrad", schmunzelt Brigitte Sesselmann, die schon im fünften Jahr in Folge den "Parking Day" mit veranstaltet.
In der Bucher Straße herrscht für den Radverkehr allerdings noch sehr viel Nachholbedarf. Zu gefährlich sei es auf der Hauptstraße mit dem Fahrrad – und Radwege gibt es keine. Vor allem mit Kindern im Fahrradanhänger sei das Risiko einfach zu hoch, findet Sesselmann. Sätze wie "So macht das einfach keinen Spaß" hört man von vielen Anwohnern.
Bei den Passanten kommt die Aktion gut an. Viele bleiben neugierig stehen und machen Fotos. Auf die Frage, ob es auch Kritik gibt, sagt Baudler: "Im ersten Jahr war ich etwas nervös, wie unsere Idee ankommen wird. Die Reaktionen waren bisher durchwegs positiv." Viele würden die Ansicht teilen, "dass Autos und Parkplätze unnötig viel Raum einnehmen". Sie möchten "niemanden vor den Kopf stoßen, nur weil er mit dem Auto fährt", betont er. "Es geht darum, den Blickwinkel zu ändern und zu zeigen, was mit der Fläche möglich wäre. Und schlussendlich geht es ja um den Spaß an der Sache."
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