Die Erfolgsgeschichte führt selbst über die Stadtgrenze

11.04.2011, 00:00 Uhr
Die Erfolgsgeschichte führt  selbst über die Stadtgrenze

© Wolfgang Zink

Es wurde 1985 stillgelegt. Auch Guido Westerwelle und Lothar Matthäus feiern heuer ihre 50-jährigen Wiegenfeste. Auslaufmodelle auch sie. Umso glanzvoller steht ein Jubilar aus Nürnberg da, der noch immer gut aussieht: der Tanzsportclub Rot-Gold Casino.

Die Erfolgsgeschichte führt  selbst über die Stadtgrenze

„Der Name klingt nach Glücksspiel in einem Bordell.“ Frank Pöhlau, erster Vorstand des Vereins, formuliert es drastisch. Prompt nahm das Ordnungsamt Anstoß und winkte das Vorhaben erst nach eingehender Prüfung durch. Dabei war ein Casino der Ort einer standesgemäßen gesellschaftlichen Zusammenkunft – vor 50 Jahren entsprach es durchaus der Gepflogenheit, nur auf Empfehlung in einem Tanzclub aufgenommen zu werden. Die Verknüpfung von Tanz und gesellschaftlichem Leben hatte auch Paul Krebs, die 2009 verstorbene Nürnberger „Tanzschulinstitution“ im Sinn, der den Verein am 8. Juni 1961 mitbegründete. Etikette und eine strenge Kleiderordnung prägten damals das Bild. Lateinamerikanische Tänze absolvierten die Damen in kurzen Röcken und mit hochtoupierten Haaren, die Herren im Sakko mit Fliege oder Krawatte.

Das kann der 81-jährige Herbert Lowig bestätigen. Er trat 1965 dem Verein bei und ist neben Rosa Neuper (94) und Hans-Jürgen Pfau (83) Ehrenmitglied. Lowig tanzt seit 1958 und ist Teil einer beispiellosen Erfolgsgeschichte. 1969, 1970 und 1971 wurde er deutscher Meister im Standard. Damals in Frack und enger Hose, während die Damen mehr Tüll unter dem Rock trugen. Später wurde es luftiger. Die Herren im aufgeknöpften Hemd, die Damen mit einen Hauch von Nichts. Solchermaßen rausgeputzt wurden Margit und Jörg-Peter Hölck 1988 Deutsche Meister im Standard und erreichten bei Europa- und Weltmeisterschaften die Finals. 2003 gewannen Julia Belch und Rüdiger Homm die Klasse Standard „Under 21“ bei den British Open im Tanzmekka Blackpool. Zuletzt wurden Christine Kessler und Marius Iepure bayerische Meister bei den „Lateinern“.

Auch in den Formationen startete Rot-Gold durch. Das 2001 gegründete Standard-A-Team stieg 2005 sensationell in die erste Liga auf. Im entscheidenden Turnier fehlte ein Frack, doch der Herr lieh sich das gute Stück von der Konkurrenz und siegte ohne „Fracksausen“ mit dem Team. Kürzlich glückte dem Standard-B-Team ein sportliches Wunder: „Mit elf Fußgängern“ (Trainerin Andrea Grabner) ohne jegliche Formationserfahrung schaffte es den Durchmarsch ins Oberhaus. Rot-Gold ist damit der einzige Verein mit drei Bundesliga-Formationen in beiden Disziplinen.

Erfolge, die sie am Wochenende beim Tag der offenen Tür im „Basislager im Venusweg“ gebührend feierten. Das 990 Quadratmeter große Areal bietet Platz für drei große repräsentative Säle mit Schwingboden, „die täglich massiert und eingewachst werden“ (Lowig). Eine „Location“ mit Geschichte. Angefangen hat der TSC in der Tanzschule Krebs. Es folgten Gastspiele im Heim des Ruderclubs Nürnberg, im Genossenschaftsbau der Gartenstadt, im Gemeinschaftshaus Langwasser, im Fürther Logenhaus. Der Raumbedarf nahm zu und so wurde ab 1992 ein Saal des TSV Altenfurt angemietet. Ein Unding. Ein eigenes Vereinsheim musste her.

Objekt der Begierde war das Gelände der ehemaligen Darby-Kaserne am Venusweg in Fürth. Ein Nürnberger Verein in Fürth? Na so was. Doch es zeigt, dass die Globalisierung in Franken vorankommt. Die ehemalige königlich-bayerische Reithalle von 1908, die später als Lkw-Unterstellplatz genutzt worden war, wurde im August 2000 für eine Million Mark erworben. Die Mitglieder investierten über 6000 Arbeitsstunden und stellten das Domizil rechtzeitig zum 40. Geburtstag im Juni 2001 fertig.

Am Samstag also zeigten sie ihr ganzes Spektrum. Rot-Gold greift neue Trends auf. Die rund 800 Mitglieder können inzwischen aus einer breiten Palette wählen: Von Pilates bis Zumba – für jedes Alter und Leistungsvermögen. Dabei hat sich vieles verändert, Tanzen ist körperbetonter, schneller, intensiver geworden. Schließlich will der TSC Rot-Gold Casino auch in den nächsten 50 Jahren sein jugendliches Gesicht bewahren.

 

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