Die Kinder sind immer in guten Händen
23.11.2006, 00:00 Uhr Von Alexandra Mayerhöfer
«Ich wollte einfach etwas bewegen, auch wenn ich als Richter oder Anwalt vielleicht mehr verdienen würde“, sagt Björn Czinczoll und erklärt damit, warum er die Juristerei vor sieben Jahren an den Nagel gehängt hat. Er habe außerdem einen Job gewollt, der ihn nicht total vereinnahmt.
Dafür nimmt er zu gern am Leben teil, das für ihn dann ein gutes ist, wenn seine Teilbereiche harmonisch nebeneinander herlaufen. Berufliches Engagement, Zeit für Kinder und Zeit für sich selbst - das muss seiner Meinung nach in den Alltag passen, ohne dass ein Gefühl von Stress entsteht.
Björn Czinczoll ist Geschäftsführer des in Nürnberg ansässigen Kinderzentren Kunterbunt e. V. In Hamburg geboren und in Regensburg aufgewachsen, ist er 34 Jahre alt und selbst noch ledig und kinderlos. Seine Mutter, so sagt er, habe ihm als Erste vor Augen geführt, wie schwierig es sei, Kinder und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Als Lehrerin musste sie um acht Uhr anfangen, der Kindergarten, in den Czinczolls jüngerer Bruder ging, öffnete aber erst um halb neun. Das ist lange her - und doch hat sich die Situation berufstätiger Mütter bis heute nicht entschärft.
«In der modernen Arbeitswelt müssen die meisten viel länger arbeiten“, sagt er, «es ist einfach nicht zeitgemäß, eine Kinderbetreuung bis 15 Uhr anzubieten, die vielleicht auch noch am Freitag schon mittags schließt.“
Seine Kinderzentren kennen deshalb (fast) keine Öffnungszeiten. Die Betreuung wird flexibel so lange angeboten, wie die Eltern sie benötigen - also bis 20 Uhr am Abend, auch samstags und während der Ferien. Das neueste Projekt ist eine Kindertagesstätte an einem Flughafen, die rund um die Uhr geöffnet hat. Die Kinder der Stewardessen und Piloten können dort schlafen, während ihre Eltern ihren Dienst in aller Welt versehen.
Die erste Einrichtung eröffnete der Kinderzentren Kunterbunt e. V. 1999 in Nürnberg-Nord. Seitdem wächst die Zahl der Kinderzentren kontinuierlich. Aktuell gibt es fünf in Bayern, bis Ende 2007 werden es 16 sein.
Auch in Nürnberg ist Czinczoll mit mehreren Firmen im Gespräch, die sich für eine Betreuungsstätte interessieren. An Unternehmen sind die Zentren nicht zufällig gekoppelt - er will die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch räumlich ermöglichen.
Dass Kinder am besten dort betreut werden, wo ihre Eltern arbeiten, leuchtet heute jedem ein. Das war aber nicht immer gesellschaftspolitischer Konsens.
«Als ich vor fünf Jahren das erste Mal in Regensburg im Gewerbepark ein Kinderzentrum gründen wollte, wurde das noch mit der Begründung abgelehnt, dass Betreuungsstätten in Wohnortnähe zu sein hätten“, erinnert er sich.
Wenige Jahre später kam dann die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt persönlich zur Einweihung des besagten Zentrums, das nach neu gebildetem politischen Willen im zweiten Anlauf realisiert worden war.
Czinczoll brachte sein Modell der flexiblen Kinderbetreuung jüngst den Titel «Social Entrepreneur 2006“ ein. Beim Galadinner in Berlin saß er zwischen Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer und Klaus Zumwinkel, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post AG. Und als Gewinn bekam er eine Einladung zum Weltwirtschaftsforum in Davos. «Ich freue mich schon darauf, dort Bill Gates zu sehen.“
Er weiß natürlich, dass er als Preisträger mit seinem Konzept gerade den Nerv der Zeit getroffen hat und ein Thema vertritt, das überall breit diskutiert wird.
Dass er gewonnen hat, findet er gut, weil er so dazu beitragen kann, das gesellschaftliche Bewusstsein weiter für die Bedürfnisse von Familien zu sensibilisieren. «In Berlin haben sich jetzt die ganzen Wirtschaftsgrößen für das Thema interessiert“, erzählt er, «das sind die wirklichen Entscheider.“
Vielleicht führt ihr Handeln ja bald dazu, dass Kinder und Familien in Deutschland einen ähnlichen Stellenwert bekommen wie in Czinczolls liebstem Land: Frankreich.
Der Kinderzentren Kunterbunt e. V. initiiert und betreibt seit 1998 für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern arbeitsplatznahe Kinderbetreuungseinrichtungen. Nähere Informationen finden sich online unter www.kinderzentren.de.
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