Zehn Jahre nach der NSU-Enttarnung
Diskussion mit Günther Beckstein und Semiya Simsek: Kommt der Terror zurück?
23.10.2021, 06:08 UhrVor zehn Jahren, nach dem Selbstmord der Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, verschickte ihre Komplizin Beate Zschäpe grausame Post an Zeitungsredaktionen und Organisationen in ganz Deutschland. Auch bei den Nürnberger Nachrichten ging eines dieser Kuverts ein, es war persönlich abgegeben worden, vom wem, ist unbekannt.
Darin enthalten: Eine DVD, die ein 15-minütiges Video zeigt, in der die Trickfilmfigur Paulchen Panther auf besonders zynische und abstoßende Weise die Mordserie des NSU präsentiert. "Der Nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz ,Taten statt Worte'", heißt es am Anfang dieser Bekenner-DVD.
Unterlegt mit der Melodie aus der Zeichentrickserie Der rosarote Panther, folgen Fernsehbilder und Zeitungsausschnitte - auch einige aus den NN - , die die Verbrechen und ihre Opfer nacheinander auflisten. Uwe Mundlos, so rekonstruieren die Ermittler später, soll ein Fan der Kinderfigur gewesen sein und das aufwendige Video zusammen mit Uwe Böhnhardt gestaltet haben. In den Überresten ihrer Zwickauer Wohnung hat man auf einer Festplatte eine ganze Anzahl dieser Dateien und erste Entwürfe für den Film gefunden.
Am Ende verkündet ihr Paulchen Panther in dem Video: "Heute ist nicht alle Tage. Wir kommen wieder, keine Frage!". Eine klare Drohung. Doch ist ein NSU zehn Jahre nach seiner Selbst-Enttarnung noch denkbar? "Nein!", sagt Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, entschieden. Mit den Methoden und den Ansätzen, die den Sicherheitsbehörden heute zur Verfügung stehen, könne sich so eine Terrorserie nicht wiederholen.
Jedoch: Die Anschläge von Halle und Hanau mit fast einem Dutzend Todesopfer, der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke oder die Drohschreiben mit dem Absender "NSU 2.0" an die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die Opferfamilien des NSU vertritt - all diese Taten in den vergangenen Jahren gehen auf das Konto von Rechtsextremisten in Deutschland.
Erst vor kurzem wurde eine mutmaßliche Rechtsterroristin aus dem Nürnberger Land, die Kontakte zu NSU-Helfern gepflegt und Anschläge geplant hatte, zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Rechtsextremismus sei derzeit die größte Bedrohung in Deutschland, räumte Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang im Gespräch mit Journalisten ein.
Die Opfer des NSU hat noch so viele Pläne
Was haben wir also aus den NSU-Morden gelernt, welche Lehren gezogen? Ist unsere Sicherheitsarchitektur heute eine andere als vor zehn Jahren? Warum sind die Taten noch immer nicht vollkommen aufgeklärt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Matinée im Staatstheater Nürnberg am Allerheiligen-Feiertag, Montag, 1. November, um 11 Uhr, die die Nürnberger Nachrichten und das Staatstheater gemeinsam veranstalten.
Diskutieren werden der frühere bayerische Innenminister und Ministerpräsident Günther Beckstein aus Nürnberg, Martina Mittenhuber vom Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg und Ella Schindler von den Neuen Deutschen Medienmachern e.V., einem Zusammenschluss von Medienschaffenden aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Zugeschaltet wird Semiya Simsek, die Tochter des in Nürnberg vom NSU ermordeten Blumenhändlers Enver Simsek.
Es sprechen Staatstheater-Intendant Jens-Daniel Herzog und Chefredakteur Alexander Jungkunz.
Die Matinée "Zehn Jahre nach der NSU-Enttarnung – welche Lehren haben wir gezogen?“ findet im Gluck-Saal des Opernhauses statt, der Eintritt kostet 6 Euro. Es gilt 3G-plus (geimpft, genesen oder ein aktueller PCR-Test).
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