Ein Baumeister, der Nürnberg prägt
8.8.2017, 21:12 UhrNZ: Wie kommen Sie dazu, dass Sie als noch unbekannter Architekt in den neunziger Jahren das erste staatliche Kunstmuseum außerhalb Münchens in Nürnberg bauen duften?
Volker Staab: Es war damals ein offener Architektenwettbewerb, an dem sich jeder beteiligen konnte. Ich war ein junger, unbekannter Architekt und konnte mitmachen. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, den Wettbewerb zu gewinnen. Das war wahrscheinlich einer meiner größten Glücksfälle und es war ein Stück Zufall.
NZ: Sie waren aber nur ein Ein-Mann-Architekturbüro?
Staab: Genau. Im Prinzip hatte ich bis dahin in einem anderen Büro als Mitarbeiter gearbeitet. Allerdings war ich an den Planungen für das städtische Kunstmuseum Bonn beteiligt. Insofern war mir die Thematik Museum etwas vertraut und ich habe eine Affinität zu diesem Thema entwickelt.
NZ: Wie haben Sie die bayerischen Beamten überzeugt, dass Sie der richtige Architekt für das schwierig zu bebauende Grundstück des Neuen Museums sind?
Staab: Man muss verschiedene Ebenen überzeugen. Eine war natürlich die Jury, die erst die Idee für dieses Haus gut finden musste. So eine Jury besteht immer aus verschiedenen Personen, den Museumsleuten, Architekten, freischaffenden Architekten und dann natürlich aus Vertretern der Bauverwaltung oder der Politik. Ich glaube, dass unsere städtebauliche Positionierung überzeugt hat. Wenn man sich die Wettbewerbsentscheidung ansieht, haben viele nur die Lücke an der Luitpoldstraße geschlossen und eben keine Gasse gemacht. Dadurch erschien dieses Haus so groß wie ein Mehrfamilienhaus in Nürnberg. Das Volumen des Hauses konnte man so gar nicht richtig wahrnehmen. Der Trick war, diese Gasse und einen neuen Platz (den Klarissenplatz) vorzuschlagen. Den Platz hat es ja vorher in dieser Form nicht gegeben. Es galt aber auch noch die zweite Hürde zu nehmen, denn ich musste die Bauverwaltung davon überzeugen, dass ich das Projekt stemmen kann. Dazu gehörte auch immer ein Stück Mut vonseiten des Bauherrn, den man heute manchmal vermisst. Die Bauverwaltung kam also zu uns nach Berlin und schaute sich im Büro um.
NZ: Stimmt die Geschichte, dass Sie für die Abholung der bayerischen Beamten vom Flughafen in Berlin sich extra ein größeres Auto geliehen haben?
Staab: Ich hatte nur so einen kleinen verbeulten Polo und da habe ich mir das Auto von meiner Schwester ausgeliehen, einen Volvo. Dummerweise hatte ich vergessen, vorher zu tanken und wusste nicht, wo der Tankdeckel ist.
NZ: Die über 100 Meter lange Glasfront war ein Novum und es gab nur wenige Firmen, die sie liefern konnten.
Staab: Die Glasfassade selbst war vielleicht gar kein Novum, aber die Art, wie sie konstruiert ist. Glasschwerter steifen die Glasfront aus. Die Glasfront hängt am Dach und steht nicht auf dem Boden. Diese Konstruktion war damals tatsächlich ganz neu und es war natürlich eine Herausforderung, das planerisch umzusetzen. Mich freut aber vor allem, dass der Platz endlich angenommen wird.
NZ: Auch das Augustinerhofgelände ist ein schwieriges Grundstück mit einer inzwischen 25-jährigen Geschichte. Der deutsch-amerikanische Helmut Jahn ist mit seiner Einkaufsmeile Mitte der neunziger Jahre hier gescheitert. Mit welcher Prämisse gehen Sie an das Projekt heran?
Auch in diesem Fall haben wir einen städtebaulichen Ansatz. Die besondere Lage an der Pegnitz hat uns auf die Idee gebracht, dass man einen Zugang zu der Anlage direkt vom Hauptmarkt haben sollte. Die Dramaturgie dieses Raumes besteht, ein bisschen wie beim Neuen Museum, in einer sich immer weiter zur Pegnitz hin öffnenden Gasse. Am Ende kann man dann auf offenen Sitzstufen Richtung Südwest am Fluss sitzen. Das wird vor allem an Sommerabenden wunderbar sein. Die städtebauliche Figur war ursprünglich für Geschäfte und Wohnungen gedacht. Die geplante Nutzung mit der Außenstelle des Deutschen Museums ist eine Variante des ursprünglichen Entwurfs.
NZ: Während Sie das Neue Museum gebaut haben, scheiterte Jahn mit seinem Entwurf. Zufall oder logische Konsequenz, weil Sie keine standardisierten Entwürfe abliefern?
Staab: Das ist zumindest unsere Strategie, ob das immer aufgeht oder nicht, das müssen andere entscheiden. Aber es ist tatsächlich so, dass es mich nicht interessiert, überall in der Welt einen erkennbaren Staab-Entwurf abzusetzen. Was mich interessiert, ist, das Besondere an einem Ort oder bei einer Bauaufgabe herauszufinden, und daraus eine ganz spezifische Lösung zu entwickeln. Es wird uns manchmal zum Vorwurf gemacht, dass man gar nicht erkennen kann, ob es sich um einen "Staab" handelt. Ich behaupte, wenn man genau hinschaut, kann man das immer erkennen. Aber nicht auf den ersten Blick.
NZ: Was ist die Begründung, wenn Sie einen Auftrag bekommen: Ihre Formensprache? Die Einhaltung des Budgets? Was zeichnet Ihre Bauten aus?
Staab: Es entscheidet meistens ein Wettbewerb. Wettbewerbe sind im Normalfall anonym. Man gibt eine Arbeit ab, die nur eine Nummer und keinen Namen hat, und dann wird man von einer Jury ausgewählt. Die Auswahl einer Arbeit hängt natürlich auch mit ökonomischen Dingen zusammen, denn ein Vorschlag muss ökonomisch realisierbar sein. Grundsätzlich geht es darum, eine Lösung für spezifische Aufgaben zu finden. Das war bei allen drei Museumsstandorten der Fall.
NZ: Wie steht es um die Einhaltung der Budgets?
Staab: Die ist eines unserer Ziele. Es gelingt aber nicht immer. Vor allem im Altbaubereich haben wir immer wieder das Problem, dass plötzlich Dinge entdeckt werden, die vorher nicht bekannt waren. Aber es ist für uns wichtig, zu zeigen, dass gute Architektur auch im Rahmen eines ökonomischen bestimmten Gesamtkonzepts stattfinden kann. Manchmal wird in der Öffentlichkeit ein schlechtes Bild von Architekten gezeichnet, weil sie sich angeblich für Kosten gar nicht interessieren. Wir wollen beweisen, dass es anders geht. Bauen ist eines der letzten großen Abenteuer!
NZ: Wie würden Sie denn Ihre architektonische Sprache beschreiben? Sie haben in Ihrem Buch die Formulierungen wie "auf der Suche nach dem Spezifischen", "verdichten bis es ein Gebäude wird" und "komplexe Einfachheit" verwendet. Was verstehen Sie darunter?
Staab: Es gibt eine Haltung, die dahintersteht. "Komplexe Einfachheit" beschreibt diese Haltung am schönsten. Ein Gebäude muss heute vielfältigen Ansprüchen entsprechen: Es soll sich in das Stadtgewebe einfügen. Es soll ganz modern und neuartig sein. Es soll einen bestimmten Kostenrahmen nicht sprengen. Es soll funktional sein. Es soll ganz viele Dinge auf einmal können, die auf den ersten Blick oft widersprüchlich erscheinen. Wenn es einem gelingt, eine ganz klare Lösung zu finden, die möglichst viele dieser Anforderungen erfüllt, dann habe ich das Gefühl, dass hier ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Architektur liegt. Das ist zunächst kein formaler Aspekt, den man wiedererkennen könnte, aber es ist ein Aspekt, der auf alle unsere Häuser in irgendeiner Form zutrifft. Mit unseren Häusern versuchen wir immer zur Umgebung und zu den Themen, die wir bearbeiten, Verbindung aufzunehmen. Das Spektakel, das sich selbst genügt, interessiert mich nicht. Wenn ein Bauwerk einfach ist, dann hat es immer eine gewisse Prägnanz, aber auch diese kann eindimensional sein. Mich interessiert, wenn etwas vieldeutig wird und es mehrere Bezugsebenen gibt. Wenn etwas auf ganz verschiedenen Wahrnehmungsebenen Anknüpfungspunkte bietet, wird es interessant.
NZ: Sie schätzen Beton.
Staab: Weil er große plastische Möglichkeiten bietet. Es ist aber auch eine persönliche Vorliebe. Beton gehört zu meinen Lieblingsmaterialien.
NZ: Etliche Architekten haben sich in Nürnberg schon schwergetan. Ihre Großprojekte haben eine große Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Wie erklären Sie sich das?
Staab: Das stimmt nur halb. In Bayreuth hat es eine heftige Diskussion darüber gegeben, wir würden den Park neben der Wagner-Villa zerstören. Aber wir haben oft festgestellt, dass die Aufregung wieder abebbt, wenn das Ergebnis besichtigt werden kann. Architektur ist aber nichts, was naturwissenschaftlich messbar ist. Man wird mit keinem Bau alle Leute glücklich machen. Die große Akzeptanz hat wahrscheinlich mit unserer Idee von Vielschichtigkeit zu tun, die es vielen Menschen ermöglicht, einen Zugang zu finden. Sei es über die Maßstäblichkeit, die Materialität, die Detailpräzision oder über die Funktionalität. Ein Haus, das nicht gut funktioniert, ist ja auch nicht wirklich gut.
NZ: Wie stehen Sie zu Rekonstruktionen?
Staab: Ich bin ja grundsätzlich kein Freund der Rekonstruktion. Ich denke, es gibt sicher Ausnahmen, bei denen man darüber diskutieren kann. Aber grundsätzlich bin ich dafür, den Bestand, den man hat, sorgfältig zu betreuen. Eine Stadt ist auf der einen Seite Gedächtnis und kulturelles Archiv, aber gleichzeitig gibt sie auch eine Vorstellung davon, wie es weitergehen soll. Beide Elemente gehören zu einer Stadt. Wenn man anfängt, zu rekonstruieren, dann wird die originale Substanz entwertet. Dann ist das wie Disneyland, wo man alles herstellen und wieder abreißen kann. In dem Moment, in dem ich alles reproduzieren kann, verliert eigentlich das Original an historischem Wert. Wie in Dresden eine ganze Altstadt wieder pseudomäßig herzustellen – das ist nicht meine Welt.
NZ: Was gefällt Ihnen an Bauwerken in Nürnberg ?
Staab: Die Bauten von Sep Ruf, einem wunderbaren Architekten. Beispielsweise sein Heimatministerium hinter der Lorenzkirche und seine Teile des Germanischen Nationalmuseums. Auf den ersten Blick sind diese ganz selbstverständliche Bestandteile der Stadt.
NZ: In Nürnberg gibt es derzeit eine Debatte über die Außenstelle des Deutschen Museums, weil die Miete angeblich zu hoch ist. Es wird auch eine sehr schwierige Baustelle. Wäre Bauen statt Mieten billiger gewesen?
Staab: Der Augustinerhof ist bautechnisch schon eine große Herausforderung, weil er eben mitten in der Altstadt liegt. Wasser drückt hinein und zwei Geschosse müssen auch noch unter die Erde gebaut werden. Die grundsätzliche Frage, ob mieten oder selber bauen besser ist, hat sich hier aber nicht gestellt, weil das Grundstück ja nicht verkauft wurde. Es wäre jedoch sicherlich billiger gewesen, die Außenstelle irgendwo auf der grünen Wiese zu bauen. Für Nürnberg und für das Deutsche Museum ist die kulturelle Nutzung des Augustinerhofs aber sicherlich von Vorteil.
Mich interessiert, wenn etwas vieldeutig wird.
Wenn etwas ganz verschiedene Anknüpfungspunkte bietet.
Volker Staab
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