Ein Christkind unter den Volunteers
24.06.2006, 00:00 Uhr
«Wir sind dabei!“ In großen Lettern steht es geschrieben, das Motto der Volunteers. Gleich auf mehreren Transparenten in ihrem Aufenthaltsraum. Was heißt Raum: Es ist gleich die ganze Arena, wo sonst die Ice-Tigers, die Basketballer oder Pop-Bands spielen. Immerhin sind es allein in Nürnberg 850 Freiwillige, bundesweit sogar laut WM-Organisationskomitee 15 000.
Da spart die Fifa viel Geld, denn die Volunteers leisten echte Arbeit, die sonst teuer bezahlt werden müsste. Für die Helfer freilich ist der Einsatz Ehrensache. Alexander Gräfe beispielsweise opfert seinen Jahresurlaub, um dabei zu sein. Der 37-Jährige, der als Auszubildender schon beim 1. FC Nürnberg gearbeitet hat, ist in den beiden Fan-Botschaften an der Lorenzkirche und auf dem Fanfest am Volksfestplatz im Einsatz.
«Da hat man guten Kontakt zu den internationalen Besuchern“, freut er sich über die Aufgabe. Der gebürtige Nürnberger kommt ursprünglich aus der Gastronomie, ist also gewohnt, auf Menschen zuzugehen. «Am schnellsten ist man eigentlich mit den Mexikanern ins Gespräch gekommen“, sagt er. Am meisten gefreut hat es ihn aber, auf dem Fanfest einem Vater geholfen zu haben, seinen kleinen Jungen wiederzufinden.
Beim Confederations Cup 2005 war seine Bewerbung als Volunteer noch abgelehnt worden, diesmal zur WM hatte es aber geklappt. Und Alexander Gräfe ist so begeistert, dass er sich nun auch für die Olympiade 2012 in London bewerben will.
Eigentlich ist Katrin Urschel gar kein Fußballfan. Eigentlich. Doch spätestens seit der Europameisterschaft 2004 in Portugal hat sie das Fußballfieber dennoch gepackt. Zu der Zeit war sie für ein Jahr in Kanada. «Und dort hat sich keiner groß um die EM gekümmert, obwohl in Europa große Euphorie herrschte“, erinnert sich die frisch diplomierte Kulturwirtschaftlerin. Da hatte sie den Entschluss gefasst, als Volunteer an der WM im eigenen Land teilzunehmen. Zumal die viersprachige Nürnbergerin künftig ihr Leben im Ausland verbringen will. Am liebsten in Nordamerika bei ihrem Freund. Doch zunächst verschlägt die wissenschaftliche Arbeit die 24-Jährige (Forschungsprojekt: «Irisch-kanadische Literatur“) an die Universität von Galway in Irland. Diese Nachricht übermittelte ihr die Mama in der Halbzeitpause des Spiels Ghana gegen USA.
Doch noch hilft Urschel dem lokalen Fifa-Sprecher Martin Haltermann bei der WM-Arbeit. Sie ist vor allem für die Sitzverteilung der Journalisten auf der Medientribüne zuständig. «Im Medienbereich als Volunteer zu arbeiten, war mein Wunsch. Denn lange Zeit wollte ich selbst Journalistin werden“, sagt sie. Den Umgang mit den Medien ist die junge Frau gewohnt. 1997 und 1998 war sie das Christkind von Nürnberg.
Dafür kennt sich Christoph Sulmer bestens mit Fahrzeugen aus. Der Erlanger betreibt zwei Fahrschulen. Kein Wunder, dass der 39-Jährige sich als Volunteer beim WM-Fahrdienst beworben hat. Die Erfahrung vom Confed-Cup war da sicher hilfreich. Der Profi ist einer der beiden Fahrer für den obersten Fifa-Repräsentanten in der WM-Stadt Nürnberg, Samuel Paul Mony aus Malaysia.
«Ich wollte das alles mal von der anderen Seite des Zauns sehen“, sagt Sulmer, der sonst als Fan im Stadion sitzt. Die Volunteers können auch meist etwas von den Spielen sehen. Was Sulmer natürlich begeistert, spielt er doch seit seinem 4. Lebensjahr selbst Fußball. Einen bleibenden Eindruck von der WM haben ihm vor allem die vielen ausländischen Gäste vermittelt. Und hier besonders eine Aussage vieler Besucher: «Wir haben jetzt ein ganz anderes Bild von Deutschland bekommen.“ Das passt gut zum zweiten Motto der Volunteers - und der ganz WM: «Die Welt zu Gast bei Freunden.“