Ein Haus als Musterknabe

09.12.2009, 00:00 Uhr
Ein Haus als  Musterknabe

© Horst Linke

Weil Erdölpreise und drohender Klimawandel 1953 keine Rolle spielten, wird so ein Erbstück heute eher als Last denn als Lustobjekt betrachtet. Hausherr Hans-Peter Hild aber wollte bleiben und aus dem energetischen Fossil «etwas Zukunftsweisendes» machen. Das hat 2006 nur vier Monate gedauert, 230 000 Euro gekostet und wird sich auf lange Sicht auszahlen.

Hilds Elternhaus in Zabo ist seither kaum wiederzuerkennen. Problemlos geht es als Neubau durch, der kantige Kubus ist eine gängige Form zeitgenössischer Architektur und der Altbau hat sich gut gefügt in seine neue Hülle.

Technisch ist das Einfamilienhaus radikal vom Oldtimer zum ökologischen Musterknaben umgerüstet worden. Das Erdgeschoss hat Architekt Benjamin Wimmer nach vorne unter die einstige Balkonkante gerückt und in PfostenRiegel-Bauweise aus Dreifachglas gebaut.

Das isoliert so gut wie eine dicke Wand und ist zusammen mit den bis zu 33 Zentimeter dicken Styroporpolstern auf Außenwänden, Kellerdecke und dem Dach mit ein Grund dafür, dass anstelle von 3500 Litern Öl im Jahr nur noch knapp 800 verfeuert werden müssen. Auch das wird sich noch ändern, ein Umstieg auf Pellet- oder Erdwärmeheizung ist demnächst geplant. Seit dem Umbau dauern die Tage im Haus durchschnittlich 90 Minuten länger. So viel später müssen die Bewohner jetzt Licht einschalten, weil der nie genutzte schmale Balkon keinen Schatten mehr wirft.

Er sei froh, dass er von der Idee eines Wintergartens abgerückt ist, sagt Hild. Wozu auch, das geräumige Wohn- und Esszimmer ist an drei Seiten verglast und liegt so mitten im Grün. Ein nachträglich eingesetzter Stahlträger und kaschierte Unterzüge an der Decke verraten, dass hier statisch verstärkt werden musste, um die obere Etage zu stützen. Auch dort liegen an der Südseite jetzt bodentiefe Fenster.

Zwei dunkle Paneele in der Mitte unterbrechen die in kräftiges Blau gefasste Glasfront. Weil’s im Bad eng zu werden drohte, wurden hier statt dicker Dämmung schmale Vakuumpaneele aus Email eingesetzt. Ein lässlicher Schönheitsfehler, den die klar gegliederte Fassade verkraftet. Wo einst einzelne Elektroboiler das Wasser erhitzten, ist jetzt eine 15 Quadratmeter große Solaranlage am Dach im Einsatz.

Eine Photovoltaikfläche deckt den gesamten Strombedarf des Hauses. Knallt die Sonne von Süden in die Räume, fahren elektrische Jalousien automatisch herunter. Eine Lüftungsanlage regelt die Be- und Entlüftung.

Drinnen ist alles hell und licht, weiße Einbauschränke schaffen Platz. Nur wer die massive Eichentreppe nach oben besteigt, der wandelt auf dem Original, auf der Stiege aus den 50er Jahren.

Nächste ArchitekTour: Das DGB-Haus, jetzt ganz in Weiß.