Ein Paradies für Drahtesel
17.08.2011, 16:46 Uhr
Das Edelrad ist in der kleinen Werkstatt von Boschers Fahrradgeschäft „Velorado“ in der Mögeldorfer Hauptstraße aufgebockt. Stollenreifen, Federung, High-End-Schaltung – alles ist bei dem Modell „EQ XDuro“ wie gewohnt vom Feinsten. Auch der Elektromotor. „Der ist in diesem Fall von Bosch und kam erst dieses Jahr auf den Markt“, sagt Boscher. 25 Millionen ließen sich die sonst eher automobil geprägten Schwaben die Entwicklung Gerüchten zufolge kosten. Herausgekommen ist ein Produkt für sportlich ambitionierte Fahrer, sagt Boscher. „Und jede Bosch-Station weltweit kann Motoren und Batterien warten.“
Die Kombination aus Edelmarke Haibike und Ingenieurskunst der Marke Bosch ist für den 35-jährigen Fahrrad-Enthusiasten aber mehr als nur ein formvollendetes Fahrzeug: „Es zeigt vor allem, dass die Elektrofahrräder auch in Deutschland endlich ihr Alte-Leute-Image abstreifen.“
Heute schon ist etwa jedes fünfte Rad, das Boscher verlauft, ein E-Fahrrad. Und in den nächsten fünf Jahren könnten die energiegeladenen Zweiräder durchaus die Hälfte seiner Verkäufe ausmachen, schätzt der Experte. „Es kommen einfach immer mehr Menschen auf den Geschmack: Mit einem Pedelec – wie die pedalgetriebenen Elektrobikes im Fachjargon heißen – komme ich zügig voran und unverschwitzt an“, erläutert Boscher die Vorzüge. Richtig populär könnte seiner Auffassung nach auch die Kombination Elektrorad und Anhänger werden. „Mit einem herkömmlichen Rad muss eine junge Mutter mit zwei Kindern im Anhänger schon ordentlich in die Pedale treten um das Zusatzgewicht zu bewegen – ein Pedelec könnte ihr da viel abnehmen.“
Trotz aller Begeisterung für Elektroräder hat Boscher in seinem Velorado natürlich auch ein breites Angebot herkömmlicher Fahrräder. Trekkingräder der Marken Staiger, Winora oder Cannondale verkaufen sich sehr gut, trotz des gehobenen Preisniveaus. Doch dies entspricht voll Boschers Strategie: „Wer billig kauft, kauft zweimal“ ist der gelernte Einzelhandelskaufmann überzeugt. „Wenn ich versuche, mit dem Angebot der Discounter und großen Fahrradketten zu konkurrieren, habe ich keine Chance“, sagt er mit Nachdruck in der Stimme.
Deswegen verkauft er nur Produkte, von denen er selbst überzeugt ist: Trekkingräder und Mountainbikes ab etwa 500 Euro, Rennräder ab 1000 Euro und Elektrobikes der Schweizer Marke Flyer ab 2000 Euro. Nach oben sei die Skala jedoch offen, sagt Boscher und zeigt auf ein Cannondale, das wie eine Konzeptstudie aussieht: Das „Onbike“ gibt es weltweit nur 250 Mal. Das mattschwarz glänzende Prunkstück zeichnet sich durch sein einzigartiges Design aus, bei dem das Hinterrad komplett am Kettenkasten aus Alu aufgehängt ist. Preis? „Schlanke vier Mille“, grinst Boscher.
Natürlich gebe es auch Kunden, die sich ein Statusobjekt und kein Sportgerät kauften, räumt er ein. Insgesamt profitiere das Velorado mit seiner Lage in Mögeldorf eben von der kaufkräftigen Bevölkerung von Erlenstegen bis Laufamholz.
„Das war eben auch mit ein Grund, warum ich mich hier selbstständig gemacht habe: Es gab in Mögeldorf, wo ich herkomme und lebe, kein Fahrradgeschäft“, sagt Boscher. „Außerdem wollte ich mich selber verwirklichen und endlich einen Laden so aufziehen, wie ich es mir vorstelle.“ Erfolgreich? „Man lernt immer dazu. Zum Beispiel wird unser Reparaturservice so stark nachgefragt, dass wir uns entschlossen haben, den Laden unter der Woche erst ab 13 Uhr zu öffnen – zuvor wird ausschließlich repariert“, sagt Boscher, der schon früh anfing, in Fahrradläden zu jobben. Bei der Bewältigung der Arbeit hat er seit Mai nun selbst Unterstützung von Markus Ginser, der über einen Aushilfsjob im Velorado landete.
Wie stark trifft einen im Fahrrad-Business denn so ein verregneter Sommer wie dieser? „Die klassische Saison in der Form gibt es bei uns eh nicht mehr. Räder, Ausstattung und auch Kleidung haben sich in den letzten Jahren so verbessert, dass viele Menschen ganzjährig aufs Rad steigen“, berichtet Boscher.
„Das Geschäft läuft also – unabhängig vom Wetter – das ganze Jahr über.“ Dennoch sei natürlich vor allem von März bis Mai die Werkstatt stärker ausgelastet, wenn viele Räder für den Sommer fit gemacht werden.
Insgesamt ist Boscher mit der Entscheidung, sich auf eigene Räder zu stellen, rundum zufrieden. „Ich hatte viel Hilfe von Freunden und vor allem auch von meinen Eltern.“ Einen Einschnitt allerdings muss er dennoch hinnehmen: Wir haben Montag bis Samstag geöffnet - deswegen komme ich privat kaum noch zum Fahren“, sagt der Fahrradfreak, der auch privat „ein paar“ Bikes besitzt. „Aber so ist das nunmal, wenn man das Hobby zum Beruf macht.“
Velorado, Mögeldorfer Hauptstraße 11 Tel. 36065630; www.velorado.de
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