Einmal Politiker sein

23.7.2008, 00:00 Uhr
Einmal Politiker sein

© oh

Ihren Lehrer und Initiator des Spiels, Peter Kührt, überrascht das Ergebnis nicht: «Ich kenne meine Schüler, die sind fast alle eher konservativ, ganz selten, dass mal ein grüner Umweltaktivist dabei ist.»

Kührt unterrichtet die angehenden Banker in Sozialkunde. Doch mit dem politischen Wissen war es bei ihnen bis vor kurzem nicht weit her. «Als ich die beiden 12. Klassen übernahm, war ich schockiert, wie blank sie waren.» Der Studiendirektor wollte und konnte das so nicht stehen lassen und hatte eine Idee. Er bewarb sich beim Bayerischen Landtag um das Planspiel «Der Landtag sind wir» und bekam prompt den Zuschlag.

Durch die Hintertür zur Landespolitik

So konnte das Spiel in Kooperation mit dem Zentrum für angewandte Politikforschung der Universität München und der Forschungsgruppe Jugend und Europa beim Bayerischen Landtag in der Berufsschule über die Bühne gehen. Und die Jugendlichen lernten auf diese Weise, quasi durch die Hintertür, eine ganze Menge über die Landespolitik und die Funktion des Landtags.

53 Schülerinnen und Schüler machten mit und waren von Anfang an mit Feuereifer bei der Sache, erzählt Kührt. Ganz egal, welche Rolle sie bekleideten. Ob sie Mitglied einer der drei Fraktionen oder Vertreter der Presse mimten. Die Rollen wurden ausgelost, und so manch’ einer sah sich der Herausforderung gegenüber, einen 72-jährigen Landwirt aus Niederbayern zu spielen. Mit 40 Jahren CSU-Mitgliedschaft auf dem Buckel und wild entschlossen, die Belange seiner Branche im Landtag zu vertreten. Peter Kührt war von der schauspielerischen Leistung seiner Schüler begeistert: «Es war wirklich fantastisch, wie überzeugend wie sie in die verschiedenen Rollen geschlüpft sind.» Die Presse, natürlich NN und NZ, habe alle 20 Minuten einen neuen Text geliefert, und die Fraktionen bekriegten sich fast wie im richtigen Leben.

In einer inszenierten Talkshow, beim Bayerischen Rundfunk, traten die Fraktionssprecher schließlich gegeneinander an. Die Vertreter von SPD und Grünen, erzählt Kührt, seien chancenlos gewesen. Es war schnell klar, dass die CSU ihren Vorschlag, die Überwachung von öffentlichen Plätzen mittels Videokameras, durchdrücken werde. Praktischen Rat am Planspieltag holten sich die Schüler von einer, die weiß, wie der Landtag funktioniert. MdL Angelika Weikert (SPD) nahm sich viel Zeit, den jungen Erwachsenen zu erklären, wie es im Landtag läuft.

So verwandelten sich die anfangs politikverdrossenen Berufsschüler auf einmal in ambitionierte Hobby-Politiker. Das Planspiel machte es möglich. Studiendirektor Kührt freut sich über die Entwicklung. «Sonst haben alle bei politischen Themen gestöhnt und die Augen verdreht.» Auf einmal diskutieren die Schüler im Unterricht über politische Entwicklungen. Das Interesse zeigt sich auch daran, dass alle 53 jungen Planspieler sich zu einer Fahrt zur

Besichtigung des Bayerischen Landtags angemeldet ha- ben. Damit hatte selbst Kührt nicht gerechnet.