Warum kann ein Corona-taugliches "Volksfest light" nicht auf dem Volksfestplatz stattfinden?
Schon seit März sei darüber im Volksfestausschuss intensiv diskutiert worden, heißt es. Die Schausteller wollten den vertrauten Standort am Dutzendteich bekanntlich mit einem abgespeckten Freizeitpark-Konzept bespielen. Doch das sei unter dem Aspekt des Infektionsschutzes "nicht darstellbar gewesen", man habe leider die Reißleine ziehen müssen, erklärt Kathrin Kurr, die Chefin des Nürnberger Ordnungsamtes.
Riesenrad und Achterbahn: So wird das Nürnberger Altstadt-Volksfest
Nürnberger Grünflächen habe man als Alternative nicht ins Kalkül gezogen, da diese zur Erholung unverzichtbar seien. Die jetzt so umstrittene Lösung, die den Hauptmarkt mit einbezieht, habe zuletzt auch die bayerische Staatsregierung befürwortet. Wirtschaftsreferent Fraas (CSU) habe zusammen mit Oberbürgermeister Marcus König (CSU) dann entschieden: "Ja, wir machen das." Die Rathaus-Fraktionen seien über die Pläne informiert worden, dies sei die übliche Vorgehensweise.
Ist die Stadtspitze überrascht von den ablehnenden Reaktionen?
Alle, mit denen er persönlich gesprochen habe, hätten sich zustimmend, "ja sogar begeistert" geäußert, sagt der Wirtschaftsreferent. Auch München und Augsburg hätten ähnliche Lösungen gewählt, in Fürth wird zurzeit ein Riesenrad auf der Fürther Freiheit aufgebaut. Schausteller-Vertreter Lorenz Kalb spricht angesichts der öffentlichen Kritik sogar von einer gezielten "Kampagne" gegen seine Berufskollegen. Man habe heuer wegen Corona null Komma null Einnahmen gehabt, ohne Auftrittsmöglichkeit würde die ganze Branche gegen die Wand fahren.
Warum dauern die "Sommertage" in der Innenstadt volle 38 Tage lang?
Allein auf dem Hauptmarkt sind heuer 14 Märkte und Events abgesagt worden – von der Blauen Nacht bis zum Trempelmarkt. Die "Sommertage" seien nun "das Ferienprogramm der Stadt und der Region", so Lorenz Kalb, das "kleine Glück der Leute". Fünf Wochen lang dauerten auch das Frühlings- und Herbstvolksfest – zusammengenommen.
Wie will die Stadt Lärmbelästigung in den Griff bekommen?
Es werde nur leise Chill-out-Musik gespielt, auf Lautsprecheransagen sowie Hupen und Tröten werde ganz verzichtet, heißt es. Die Fahrgeräusche der Achterbahn blieben im Rahmen. Lorenz Kalb zitiert hier Franz-Josef Strauß, der gesagt haben soll: "Geräusche, die vom Volksfest ausgehen, sind kein Lärm, sondern ein Ausdruck von Lebensfreude!" Wenn während der Öffnungszeiten von 11.00 bis 21.00 Uhr, beziehungsweise Freitag und Samstag bis 22.00 Uhr, Gottesdienste stattfinden, soll Ruhe herrschen. Alkohol und Essen gibt es am Hauptmarkt nicht, nur in den Biergärten, etwa auf der Insel Schütt. Hochprozentiges sei generell tabu.
Das Robert-Koch-Institut beobachtet die Infektionszahlen zurzeit mit Sorge. Viele Kritiker sehen in den "Sommertagen" ein unnötiges Risiko. Zu Recht?
Die Ängste der Menschen müssten ernst genommen werden, merkt Wirtschaftsreferent Fraas an. Doch das Ersatz-Volksfest als potenziellen Hotspot à la Ischgl darzustellen, sei abwegig. "Wir sind hier an der frischen Luft." Die Schausteller stellen auf eigene Kosten Sicherheitsdienste, sorgen für Desinfektionsmöglichkeiten, Gondeln dürften nur mit zwei Fahrgästen besetzt werden, Fahrgeschäfte würden eingezäunt.
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Mit seinem ausgefeilten Sicherheitskonzept für alle Standorte in der Innenstadt werde das diesjährige Volksfest schon wegen der auffälligen Warnhinweise auf die Abstands- und Maskenpflicht erkennbar anders sein als seine Vorgänger, so Claus Fleischmann vom Liegenschaftsamt. Oberstes Ziel sei es, größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Auf dem Hauptmarkt könnten doppelt so viele Fahrgeschäfte unterkommen, sagt Lorenz Kalb vom Schaustellerverband. Doch wegen Corona beschränke man sich hier.
Was kann die Stadt tun, wenn das Ganze doch aus dem Ruder läuft?
Die Vorgaben könnten sich jederzeit ändern, betont Kathrin Kurr vom Ordnungsamt. Das mache die Planung so schwer. Wenn es Probleme gebe, könne täglich nachgesteuert werden. Es sei immer eine Gratwanderung, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Doch ein Volksfest sei "Ausdruck der Lebensfreude", der Wunsch nach Zerstreuung sei da und dem müsse man Rechnung tragen. Auch die Schausteller hätten einen Anspruch darauf, unterstützt zu werden. Das faktische Berufsverbot für sie sei ein tiefer Eingriff in die Grundrechte.
Sind die "Sommertage" eine Konkurrenz für den Handel und die krisengebeutelte Gastronomie?
Das Gegenteil sei der Fall, sagt CSU-Mann Fraas. Der Einzelhandel etwa freue sich über die Attraktionen, die Menschen anzögen. Auch die Lokale profitierten davon. Das betont jedenfalls Schausteller-Chef Lorenz Kalb, der auf die Wirte in der Umgebung des (ebenfalls abgesagten) Stadtstrandes auf der Insel Schütt verweist. Bei ihnen sei die Bude voll, wenn der Strand schließe. So werde das auch bei dem dezentralen Volksfest sein.
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