Evakuierung
Evakuiertes Wohnhaus in Nürnberg: "Die Risse gingen immer weiter auseinander"
9.6.2021, 14:20 UhrImmer wieder bleiben Menschen vor dem Haus in der Speyerer Straße in Nürnberg-Gibitzenhof stehen. Rot-weiße Flatterbänder vor dem Hauseingang signalisieren: Hier geht es nicht rein. An der Türe hängt ein Zettel des städtischen Immobilienunternehmens Wbg. "Das Gebäude ist aktuell gesperrt", steht darauf. "Wir verschaffen uns gerade einen Überblick über die Situation und führen Klärungen herbei." Das Mehrfamilienhaus, das 1927 errichtet und 1980 saniert wurde, steht seit dem Unwetter von gestern Abend leer.
"Bis zu den Knöcheln stand in der Straße das Regenwasser", erzählt eine Frau, die auf den Eingangsstufen im Nachbarhaus an einer Kaffeetasse nippt. "Bis spät in die Nacht haben das Technische Hilfswerk und die Feuerwehr gearbeitet." Von außen fällt an dem Gebäude nichts Ungewöhnliches auf. Doch im Keller sieht das ganz anders aus. Ein Bewohner hat dort am Dienstagnachmittag, als die Regenmassen über Nürnberg heruntergingen, riesige Risse im Mauerwerk entdeckt. Der Mieter alarmierte sofort die Leitstelle der Feuerwehr, die zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Einsatzlage alle Hände voll zu tun hatte.
Die Risse gingen weiter auseinander
Die Integrierte Leitstelle forderte dann das Technische Hilfswerk (THW) an. "Ich fuhr mit einem Erkundungsfahrzeug hin, gegen 18.30 Uhr war ich in der Speyerer Straße", berichtet Peter Brandmann, Chef des THW-Ortsverbandes in Nürnberg. Vier große Risse zogen sich durch den Keller. "Ich habe mit bloßem Auge sehen können, wie die sich bewegt haben", sagt er. Brandmann beorderte weitere Kräfte seines Teams in die schmale Anwohnerstraße, die unweit des Frankenschnellwegs liegt. Am Ende waren 17 THW-Kräfte am Einsatzort, insgesamt waren in dieser Nacht 40 Helfer des THW im Stadtgebiet unterwegs. Auch die Berufsfeuerwehr rückte an. Ihr Chef, Volker Skrok, machte sich ebenfalls ein Bild von der Lage. "Ich wollte mir auf jeden Fall eine zweite Meinung für weitere Schritte einholen", so Brandmann. Hinzu kamen dann auch ein Baufachberater und ein Experte der Bauordnungsbehörde. Auch für den heutigen Mittwoch wurden Gewitter prognostiziert.
Um 19.30 Uhr begann dann das THW, im Keller Stützen zu errichten, um die Kellerdecke und damit das Gebäude zu stabilisieren. Parallel dazu haben Einsatzkräfte die Bewohner aus den sechs Wohnungen gebeten, Sachen zusammenzupacken und das Haus zu verlassen. "Das ging ohne Hektik und in aller Ruhe über die Bühne." Etwa 16 Personen, Erwachsene und Kinder, verließen kurz darauf das jetzt unbewohnbare Gebäude mit Taschen und Koffern. Der Rettungsdienst kümmerte sich um die Betroffenen, die anschließend alle bei Freunden und Verwandten unterkamen.
In der Straße wurde die Fernwärme komplett abgedreht
"Wir haben die Risse am Anfang auch markiert", erklärt Brandmann. Dazu wurde farbiger Gips in die "wirklich bedenklichen Risse" gefüllt, um zu sehen, was da passiert. "Wir stellten dann fest, dass sich die Wände in der Nacht noch bewegt haben und die Risse weiter aufgingen." Brandmann gibt zu, solche Risse in Mauern noch nicht gesehen zu haben. Die Ursache dafür wird derzeit geklärt. Er geht davon aus, dass der Untergrund unterspült wurde und sich daraufhin die Bodenplatte gesenkt hatte. Gegen 22 Uhr war der Einsatz in der Speyerer Straße beendet.
Am Mittwochnachmittag sind bei der Wbg Fachleute zusammengekommen, die berieten, wie die nächsten Schritte aussehen sollen. "Wir versuchen mit Hilfe der Experten herauszufinden, wie es unter dem Haus aussieht", sagt Dieter Barth, Sprecher der Wbg. Ob die Mieter morgen bei einem geführten Zutritt für kurze Zeit in ihre Wohnungen gehen können, um sich noch dringend benötigte Dinge wie Autoschlüssel zu holen, entscheidet ein Statiker am Donnerstag.
Die N-Ergie habe vorsichtshalber die komplette Fernwärme in diesem Straßenzug abgedreht, das Warmwasser laufe glücklicherweise unabhängig von der Fernwärmeleitung und sei somit nicht betroffen. Warum die Fernwärme abgedreht wurde? Das städtische Energie-Unternehmen hat Bedenken, dass sich das Haus weiter absenkt und somit bei laufendem Betrieb eine Leitung beschädigt.
"So einen Gebäudeschaden haben wir noch nie gehabt", blickt Barth zurück. Wichtig sei aber, dass keine Menschen verletzt worden seien. Anders als bei einem Brand, bei dem Löschwasser zum Einsatz komme, das abgesehen vom Feuer im Haus auch Schäden verursache, seien die Wohnungen in der Speyerer Straße unversehrt. "Jetzt müssen wir die Gutachter abwarten. Falls das Haus länger unbewohnbar sein wird, werden wir für die betroffenen Mieter Ersatzquartiere beschaffen."
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