Expertin schlägt Alarm: Maskenpflicht für Schwerhörige Katastrophe

Anette Röckl

NN-Redaktion Gesellschaft

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3.5.2020, 19:06 Uhr

Um ihr Gegenüber ohne Gebärdensprache zu verstehen, sind Hörbehinderte im alltäglichen Leben oft darauf angewiesen, die Lippenbewegungen abzulesen. Mit der Maskenpflicht ist das nun unmöglich. "Ohne das Mundbild sind Hörbehinderte aufgeschmissen", sagt Nothdurft. In den öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkauf, wo nun Maskenpflicht herrscht, sei es eine große Erschwernis.

Der Spuckschutz, der jetzt auf den Einkaufstresen von Geschäften steht, schluckt zusätzlich zum Mundschutz noch Schall. Schon als Schwerhörige verstehe man da kaum noch etwas: "Da muss ich dreimal hinhören, um überhaupt etwas zu verstehen", sagt Nothdurft. Ganz zu schweigen von den Gehörlosen. Auch in der Altenpflege oder etwa bei der Arbeit von Rettungsdiensten ist die Kommunikation mit Hörbehinderten stark eingeschränkt. "Unter den Hörbehinderten ist es ein riesiges Thema", sagt Nothdurft. "Aber in der Gesellschaft ist es noch nicht angekommen."


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Rund 80.000 Gehörlose gibt es in Deutschland. In Bayern leben rund 15.000 Menschen mit einem Hörverlust von mindestens 80 Prozent. In Mittelfranken gibt es laut dem Bezirk etwa 1800 Gehörlose. Sie alle stellt die Maskenpflicht der Regierung nun vor große Schwierigkeiten. Soweit es aus medizinischen Gründen nicht unmöglich ist, gilt die Maskenpflicht laut dem bayerischen Gesundheitsministerium auch für Menschen mit Behinderungen. Gehörlose sind davon nicht befreit. Es ist auch nicht erlaubt, dort, wo Maskenpflicht besteht, diese während der Kommunikation herunterzuziehen. So hatte man sich bislang noch beholfen, wie Bernd Schneider, Landesvorsitzender des Gehörlosenverbandes Bayern berichtet: "Ich war vor Kurzem (vor der Maskenpflicht, Anm. d. Red.) in der Bäckerei und in der Apotheke. Die Theke war durch eine Glasscheibe getrennt. Ich konnte mich mit den Mitarbeitern verständigen, weil sie die Maske kurz heruntergezogen haben. Nachdem das nun nicht mehr erlaubt ist, bleibt den Gehörlosen nichts mehr anderes übrig, als sich mit Stift und Zettel zu verständigen."

Das rät tatsächlich auch der Deutsche Gehörlosenbund als praktische Art der (Not-)Kommunikation. Und verweist auch auf Spracherkennungs-Apps, die auf dem Handy anwendbar sind. Für wichtige Gespräche, etwa mit medizinischem Personal, können Dolmetscher über Videotelefonie-Dienste wie Tess mittels Web-Cam auf Tablet, Smartphone oder Laptop einbezogen werden. "Gerade beim Arzt geht es ja um wichtige Inhalte", sagt Judit Nothdurft. In Arztpraxen besteht genau deshalb auch keine Maskenpflicht. "Wie es gehandhabt wird, bleibt aber dem Arzt selbst überlassen", sagt Michael Stahn, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. In der Realität wird beim Arzt oft Mundschutz getragen. Hier dürfte man ihn aber zur besseren Verständigung herunterziehen. Oder eben die oben genannten technischen Hilfsmittel nutzen.

Wie man sich in der aktuellen Lage behelfen kann, wird unter den Hörbehinderten auch im Netz viel diskutiert, weiß Ute Holzer vom Sozialdienst für Gehörlose in Mittelfranken mit Sitz in Nürnberg. "Man tauscht sich aus und es gibt Nähanleitungen für Masken mit durchsichtigem Mundbereich." Wenn er herausnehmbar ist, kann die Maske gewaschen und die durchsichtige Folie desinfiziert werden. Offiziell im Handel sind solche Masken nicht. Do-it-Yourself ist hier gefragt.

Vor allem sollten ja aber die Hörenden in wichtigen Bereichen einen Schutz parat haben, bei dem die Mundbewegung sichtbar ist. Die Firma Schaeffler, mit Sitz in Herzogenaurach, hat deshalb in einer Aktion dem Bayerischen Roten Kreuz in Erlangen 50 durchsichtige Gesichtsvisiere für die Ausstattung der Rettungswagen zur Verfügung gestellt. Eine gute Idee, die ausgeweitet werden sollte, wie Nothdurft findet. Damit Menschen mit Hörbehinderungen nicht noch mehr Behinderungen im Alltag erleben.


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